Unzählige kleine Seen in den Wiesen, der noch sehr hohe Wasserpegel der Alz in Neuötting, doch sonst nichts zu sehen. Nicht einmal in Freilassing, welches vom Hochwasser eingeschlossen wurde. Als ich nach ein paar Tagen wieder mit dem Auto nach Salzburg fuhr, war die Katastrophe schon vorüber und nur kleine Hinweise ließen es erahnen.
Am Donnerstag um die Mittagszeit, als es schon zu beginnen drohte, war ich mit dem Auto auf dem Weg von Salzburg nach Hause in Bayern gewesen. Dabei begriff ich erst, dass das kommende Wochenende möglicherweise einige Unannehmlichkeiten mit sich bringen könnte, als ich die Salzach bei der Karolinenbrücke nicht überqueren konnte. Die Nacht von Freitag auf Samstag bereitete meiner Familie und mir dann schon erste Schwierigkeiten im Kampf gegen das Wasser.
Der zunehmende Regen verursachte einen sehr hohen Grundwasserspiegel, weswegen durch einen Abfluss im Kellergeschoss unseres Hauses sehr viel Wasser hochgedrückt wurde. Mein Vater und später auch meine Mutter versuchten das hochkommende Wasser mit einem Schwamm aufzusaugen, um diesen anschließend in einem kleinen Eimer auszuwringen. Wie sich später herausstellte, war diese Mühe vergebens! Um elf Uhr abends wunderte ich mich, was meinen Vater wachhielt und ging zu ihm in den Keller. Da wir beide zuerst keine Lösung für das vorliegende Problem wussten, rief er den Feuerwehrchef unserer Stadt an und bat ihn um Rat. Dieser empfahl uns, dass wir eine Burg mit Hilfe von Sandsäcken um den Abfluss bauen sollten. Also holte mein Vater die von der Feuerwehr bereitgestellten Sandsäcke ab, und um Mitternacht schleppten wir zehn kleine, aber dennoch erstaunlich schwere und äußerst schmutzige Sandsäcke vom Kofferraum des Autos in den strömenden Regen und hinunter in den schon teils gefluteten Kellerraum. Die Säcke richteten wir nun in einer viereckigen Anordnung um den Abfluss an. Eine Burg sah zwar anders aus, aber fürs Erste, dachten wir, müsste das reichen. Doch wir täuschten uns. Die Sandsäcke waren schon nach ein paar Stunden komplett durchnässt. Es half also alles nichts! Glücklicherweise konnte uns ein Freund meines Bruders eine Wasserpumpe leihen, und somit konnte das Wasser in einen naheliegenden Kanaldeckel abfließen. Wir hatten erst einmal Ruhe. Gottseidank!
Doch der Regen hörte nicht auf. Erst am Dienstag besserte sich die Situation. Obwohl wir nun im Trockenen saßen, erging es vielen bayerischen Landsleuten und den österreichischen Nachbarn miserabel. Versunkenes Passau, überflutetes Deggendorf, weit über die Ufer getretener Chiemsee, unpassierbares Freilassing sowie von Hochwasser gefährdetes Salzburg – die intensive Berichterstattung schockierte uns. Das Leid der vielen Menschen, ihre ausweglose Situation stimmte uns zutiefst traurig. Viele von den Betroffenen hatten alles verloren. Was für eine Tragödie!
Die zunehmend brenzlige Situation ließ Zweifel in mir aufkeimen, ob überhaupt möglich wäre, am Sonntag gegen Abend nach Salzburg zu gelangen. Da ich durch zahlreiche Rundfunkberichte von der katastrophalen Lage in Freilassing wusste, suchte ich im Internet nach einem sogenannten Liveticker, um aktuelle Verkehrsmeldungen sowie etwaige Hochwassermeldungen zu erhalten, in der Hoffnung, doch noch abreisen zu können. Die Verkehrsupdates der Seite des bayerischen Rundfunks halfen mir dabei, zu begreifen, daß meine Chancen, Salzburg bald zu erreichen, dahinschwanden. Auch die zweite Option, die bayerisch-österreichische Grenze über Laufen zu passieren und von dort aus weiter nach Oberndorf und Salzburg zu gelangen, blieb mir verwehrt. Die Salzach war auch an dieser Stelle zu hoch, als dass der Verkehr über die historische Brücke gestattet werden könnte. Nach mehrmaligen Updates auf der Seite und dem gleichbleibenden Stand der Unpassierbarkeit, gab ich den Versuch auf, einen Weg nach Salzburg zu finden.
Doch mir ging es gut, ich hatte nichts verloren. Die Anstrengung beim Schleppen von ein paar Sandsäcken kam mir so lächerlich unbedeutend vor. Neben zahlreichen Fernsehreportagen, Zeitungsartikeln und Radiomeldungen zeichnete mir vor allem Facebook ein dramatisches Bild der Lage. Meine Freunde waren zwar glücklicherweise nicht davon betroffen, doch durch das Liken von Facebookseiten über aktuelle Hochwassermeldungen erhielt ich Auskunft über die Hochwasserpegel und deren Folgen. Ich war erstaunt über die Hilfsbereitschaft und Courage der Menschen vor Ort. Vor allem in Passau engagierten sich sehr viele Studenten in Form von Aufräumarbeiten, als der Wasserpegel schon wieder gesunken ist.
Heute spricht kaum noch jemand über das Hochwasser, obwohl es sich erst vor ein paar Wochen ereignete. Höchstens Meldungen über Schadensbezifferungen und Nachfolgeerscheinungen spielen eine Rolle in der Medienagenda. Das Thema war bewegend, doch nun sind die katastrophalen Ausmaße vorbei, die Zerstörung und deren finanzielle Sanierung sind nun die einzigen Themen, welche noch interessieren. Obwohl immer wieder einzelne Schicksale von Betroffenen in einem kleinen Zeitungsartikel erscheinen, sind die Medien nun mit dem Thema Hochwasser im Großen und Ganzen durch.
Dieser Ausnahmezustand hat uns nun gezeigt, was Solidarität bedeutet und welche Rolle auch hierbei die Medien spielen. Beispielsweise hat eine Spendenaktion der Passauer Neuen Presse drei Millionen Euro eingebracht. Unzählige Spendenaktionen von Medienunternehmen wie auch von anderen Organisationen rufen zur finanziellen Bereitschaft auf. Obwohl hier auch Vorsicht geboten ist, denn nicht alle Spendenorganisationen erweisen sich als seriöse Wohltäter, ist dies eine große Leistung unserer Gesellschaft. Eines sollte doch nachfolgend bewusst geworden sein – es gilt hierbei nachhaltig zu handeln, damit eine solche Umweltkatastrophe nicht derartige Ausmaße annehmen kann. Unserer Umwelt zuliebe sollten wir bewusster und ökologischer handeln, um im Gleichklang der Natur ein angenehmes Leben verbringen zu können.
Stefanie Spitzendobler