2018 Satuer Zeitschrift 01 BB (Stöckl)

Bildende Kunst in der Printwerbung

von BB

„Bildende Kunst„ und „Printwerbung“ – diese beiden Begriffe bargen für mich zunächst einen klaren Widerspruch in sich. In mir kam sofort die Frage auf, wie diese beiden für mich auf den ersten Blick konträren Begriffe miteinander vereinbar sind. Denn meine erste Assoziation zu dem Begriff „Printwerbung“ war erst einmal das schreiende Sonderangebot einer Postwurfsendung, die man nach Erhalt umgehend fachgerecht entsorgt. Beim Begriff „Bildende Kunst“ dagegen stiegen bei mir im Geiste strahlende Gemälde wie etwa der „Turmbau zu Babel“ von Bruegel oder Klimts „Der Kuss“ hoch. Und bei solchen Kunstwerken bekomme ich dann auch richtig Lust, ein zweites Mal hinzusehen und das Bild auf mich wirken zu lassen. Eine Printwerbung vereint mit einem Kunstwerk – ich war gespannt. Der Vortragende Hartmut Stöckl stellte dazu auch mehrere Fragen in den Raum wie etwa: Können denn künstlerische Bilder prinzipiell etwas anderes leisten als Werbefotographien oder Werbeillustrationen? Birgt bildende Kunst ein bestimmtes Potential für die Verknüpfung von Headlines oder Slogans? Stöckl zeigte zahlreiche Beispiele vom 19. Jahrhundert bis heute, auf welche Art und Weise Kunst in der Werbung verwendet werden kann.

Hier ein kurzer Eindruck, welche Wirkung zwei Bilder auf mich hatten: Zuerst eine Werbung von JBL aus dem Jahr 2017. (https://evajordan.carbonmade.com/projects/6685252) Hier wurde ein bestimmtes Kunstgenre übernommen, nämlich das Stillleben. Ich wurde förmlich dazu eingeladen, im Bild auf Entdeckungsreise zu gehen. Bei genauerem Hinschauen fiel mir gleich auf, dass alle abgebildeten Gegenstände vorzüglich dazu geeignet sind, nervende Geräusche zu machen. Der Topf mit Popcorn war übergegangen und rauchte vor sich hin, ein Föhn unterstützte die Verteilung des beißenden Qualms im Raum. Neben der Nähmaschine und dem Staubsauger, die sich selbständig gemacht hatten, vermittelte mir auch die zerbrochene Vase erfolgreich den Eindruck von Chaos und Lärm. Erst ein Blick auf die kleine Bildunterschrift „Still life by JBL. Noise-cancelling headphones“ ließ mich dann schmunzeln. Durch Noise-cancelling Headphones wird das geräuschvolle Leben zum Stillleben.

In einer anderen Printwerbung für VW aus dem Jahr 2008 wurden formale Gestaltungsmittel aus der Kunstrichtung Surrealismus, und auch der Stil des Künstlers Salvador Dali übernommen. (http://theinspirationroom.com/daily/2008/volkswagen-polo-bluemotion-goes-surreal/) Es wurde dabei aber nicht ein bestimmtes Werk an sich imitiert. Ich sah einen Tankwart, der sich seifenblasengroße Tränen weinend von der vollen, gequetschten Tankanzeige abwendete. Seine zahllosen herausgezogenen Taschen zeigten mir, dass er absolut pleite ist. Die Ölbohrtürme im Hintergrund wurden zu gigantischen Blumenvasen umfunktioniert. Der rostige Tanklaster war ausgequetscht wie eine Zahnpastatube. Die vielen unterschiedlichen Motive und deren absurde Darstellung brachten mich zum Nachdenken, wofür hier denn genau geworben wird. Auch hier gab die kleine Bildunterschrift, auf die mein Blick erst zuletzt fiel, Aufschluss über die Absicht dieser Werbung: „Absurdly low consumption. The PoloblueMotion von VW“. Auch wenn diese beiden Werbungen künstlerische Gestaltungsmittel beinhalten, funktionieren sie meiner Meinung nach auch, wenn die RezipientInnen nicht über das notwendige Vorwissen über Kunst verfügen.

Beide Beispiele übernahmen sehr schön die Aufgaben, die Kunst in der Werbung laut Stöckl erfüllen kann. Er zeigte in seinem Vortrag, dass Kunst dabei hilft, positive Konnotationen bei den BetrachterInnen auszulösen. Diese Wirkung hängt jedoch auch davon ab, über welches Vorwissen die Rezipienten bereits verfügen. Die Verwendung von Kunst dient der Freude des Anschauens. Dies kann erreicht werden, indem Kunst zitiert oder manipuliert wird. Dabei wird sie kaum kontextualisiert, das heißt die Slogans und Bildunterschriften übernehmen kaum die Funktion zu erklären, um welche Kunstwerke es sich handelt, und beschreiben auch nicht, was darauf zu sehen ist. Kunstwerk und Sprache werden also kaum miteinander verknüpft. Ziel ist es, dass der Betrachter eine forschende Beziehung zwischen Kunstwerk und Sprache herstellt. Normalerweise werden Werbungen nur überflogen. Durch das Einbetten von Kunstwerken wird die Wahrnehmung gebremst und geschärft. Dies führt zu stärkerer kognitiver Aktivität bei den BetrachterInnen, was ganz im Sinne der Produktion ist.

Der Titel des Vortrages hat für mich gehalten, was er versprochen hat. Stöckl legte sehr schön die Möglichkeiten der Verwendung und Wirkung von bildender Kunst in der Printwerbung dar. Im Anschluss wurde noch heiß darüber diskutiert, ob diese Werbungen denn auch tatsächlich in Magazinen oder als Plakate geschaltet wurden, oder ob sie nur dazu gestaltet wurden, um sozusagen Werbung für Werbeagenturen zu machen. Das würde heißen, dass diese Printwerbungen mit der Absicht designt wurden, um vom Können der WerbegraphikerInnen zu überzeugen, und weniger um eine große Masse dazu zu bewegen, ein Produkt zu kaufen. Stöckl meinte dazu, dass das Prinzip von Kunst in der Werbung generell funktioniere, egal, mit welcher Absicht die Werbung designt wurde. Ich schließe mich in dieser Sache Stöckl an.

Professor Hartmut Stöckl ist Professor an der Universität Salzburg für angewandte Sprachwissenschaft und Englisch. Die im Vortrag besprochenen Printwerbungen stammen zum Großteil aus Lürzers Archiv für Printwerbung, welches auch online zugänglich ist.