2018 Satuer Vortragende Titel und Themen 3

Aladaĝ, Bariş (Berlin): Musik visualisieren.  Von der Ideenfindung über den kreativen Prozess bis zum fertigen Werk – Plenarvortrag

Baris Aladags Liebe zur Musik begann in den frühen 90ern mit seinem Debüt als Teenager-DJ in Stuttgart. Es folgten seine prägenden Jahre in der lebendigen Musikszene und der Wunsch, die Emotionalität der Musik in Bilder zu übersetzen. Die logische Konsequenz, als Regisseur für Musikvideos zu arbeiten, zog ihn zum Studium an die Kunsthochschule für Medien nach Köln. Nach seinem Abschluss folgen mehrere preisgekrönte Kurzfilme, Dokumentationen, Musikvideos für Alanis Morissette, Jean-Michel Jarre und Clueso, Werbespots für Mercedes, VW, Braun und Audi sowie die beiden Viral-Hits für die Berliner Verkehrsbetriebe „Is Mir Egal“ und „Arie“. Mehr als 20 Kreativpreise, darunter den silbernen Löwen in Cannes, würdigen seine Arbeiten. Eines bleibt die immer wieder verbindende Konstante: Seine Leidenschaft zur Musik. Seine Arbeiten als Songtexter für Joy Denalane, Max Herre und Clueso werden durch zahlreiche Goldene und Platin Schallplatten prämiert.

In seiner Werkschau präsentiert Aladag den Weg, Geschichten auf künstlerische Art zu erzählen. Welche Bilder schaffen die richtige Verbalisierung einer Geschichte, eines Gefühls? Welche Mittel benötigt es, um diese Bilder wiederum zu erzeugen und schlussendlich zu einem Gesamtwerk zusammenzubringen? Das Gespräch gibt einen umfassenden Einblick in die Anfänge einer Vision unter der konstanten Prämisse, diese weiterzuentwickeln und deren Umsetzung zu planen. Aladag veranschaulicht seine persönliche Arbeitsweise und gibt Anreize, Musik und Wörter mit Bildern zu verknüpfen, Visualisierung von Emotionen gelingen zu lassen und sensibles Storytelling in ein wirksames Gesamtwerk zu transformieren. Welche Motivation, Inspiration aber auch Hindernisse und Hürden den kreativen Prozess beeinflussen und auf welche Art und Weise er am besten in Bildern erzählen kann, werden in dem Vortrag aufgezeigt. Dabei verschafft er einen intimen Zugang zu seinen Arbeiten und verrät, wie man eine Oper in die U-Bahn bringt, einen Damenrasierer in einer Badewanne inszeniert, ein visuelles Konzept für Liebeslieder entwickelt, internationale Stars ins perfekte Licht rückt und bei allem die eigene Lust, Ungesehenes zu entwickeln, stetig lebendig erhält.

Blankenheim, Björn (Wuppertal): „Furcht und Schrecken. Zur Erfindung der ›Visuellen Rhetorik‹ im Computerspiel DoomSektionsvortrag

Anfang der 1990er Jahre entwickelte sich der Personal Computer nach dem Standard von IBM zur leistungsstärksten Plattform für Computerspiele, womit auch bis dahin unerreichbare visuelle Ausdrucksmittel zugänglich wurden. Das im Dezember 1993 veröffentlichte Spiel Doom von id-software steht wie kein anderes für diese Zeitenwende im Einsatz grafischer und auditiver Mittel.

Der Vortrag beleuchtet die (Wieder-)Entdeckung jener (audio-)visuellen Techniken, die hier Anwendung fanden, um bei den Spielenden Furcht und Schrecken hervorzurufen und die in vielerlei Hinsicht in der Tradition der frühneuzeitlichen Bildrhetorik stehen. Im Zentrum der visuellen Rhetorik steht damit gerade eben nicht die Persuasion, sondern die Wirkungsintention der Medienschaffenden.

Brassat, Wolfgang (Bamberg): Bildende Kunst und  Konversationsrhetorik“ Plenarvortrag

Kunstwerke, so formuliert es Niklas Luhmann, sind „Programme für zahllose Konversationen“ über das Kunstwerk, den Sinn und Zweck der Kunst und über Gott und die Welt. Luhmann versteht Kunst als ein „symbolisch generalisierte Kommunkationsmedium“, dessen Funktion darin besteht, an sich unwahrscheinliche Kommunikation zu ermöglichen. Dabei hebt er die soziologische Bedeutung des kommunikativen Gebrauchs von Kunstwerken hervor: Erst durch das Sprechen über Kunst wird diese soziale Realität und kann Kunst autonom werden, sich das Kunstsystem ausdifferenzieren.

Der Vortrag wirft ein Licht auf das Sprechen über Kunst in der Antike und der Frühneuzeit. Schon in der Antike existierte eine entwickelte Kultur des kommunikativen Gebrauchs von Kunst. Bereits im 5. Jahrhundert v. Chr. gab es Kunstwerke, die offenbar den Zweck hatten, im Rahmen von Symposien das Gespräch über sie und die verschiedenen Künste anzuregen. Später entstanden mit den von Varro, Vitruv u.a. erwähnten pincothecae bereits gesonderte Orte der Kunstpräsentation und damit einhergehend entwickelte sich die ekphrasis zu einer eigenständigen Gattung des kunstvollen Sprechens über Kunstwerke. Der antike Kunstdiskurs lebte spätestens in den Zeiten Petracas wieder auf, in der abermals eine ars conversationis und Kunst des bel parlare entstand, zu deren bevorzugten Themen neben der Liebe die Künste und ihr Wettstreit gehörten. Diese Konversationsrhetorik orientierte sich an dem in der Antike, vornehmlich als rhetorikethischer Maßstab formulierten Wertekanon der urbanitas, der in der Renaissance abermals zu einem Maßstab zivilisationsgeschichtlicher Blüte wurde. Der Vortrag wird einige Quellen zu den historische Formen des kommunikativen Gebrauchs von Kunstwerken, vor allem aber Kunstwerke behandeln, bei denen aufgrund von Kontextmarkierungen, Rezeptionsvorgaben, Formen interner Dialogizität bzw. Interpikturalität und Paradoxien ihre Funktion als Gesprächsanreiz und -programm evident ist.

Brockmann, Lorenz (Tübingen): „Visuelle Rhetorik im Wahlkampf. Praxisbeispiel der Plakatkampagne von Tübingens Oberbürgermeister im Rahmen seines Wahlkampfes 2014“Sektionsvortrag

Anders als etwa in Amerika ist in Deutschland das Wahlplakat das wichtigste Wahlkampf-medium, zumindest was den Ressourceneinsatz von Parteien angeht. Damit sind Plakate ein zentrales Wahlkampfinstrument und ein beliebter Forschungsgegenstand, doch Wahl-kampfexperten sind sich einig: Ein Plakat kann nicht überzeugen. Die Aufgaben, die Wahl-plakaten in kommunikativen Überzeugungsprozessen zukommen, sind Aufmerksamkeit zu erzeugen, Interesse zu wecken und Diskussionen anzuregen, sowie Kernbotschaften der Kampagne zu vermitteln.

Lorenz Brockmann hat innerhalb der „WEITER“-Kampagne für Tübingens Oberbürger-meister Boris Palmer 2014 eine Strategie mit vier Plakatwellen entwickelt, die über typische Kopfplakate hinausgingen: Die erste Plakatserie war ein Bilderrätsel, ließ keine Rückschlüsse auf den Urheber zu und diente der Erregung von Aufmerksamkeit (sog. attentum parare). Die Presse griff bereits diese erste Plakatwelle auf und fragte nach dem Urheber. Die zweite Serie glich gestalterisch der ersten, löste das Rätsel und machte den Urheber sowie dessen Intention kenntlich. Es folgten Themenplakate in reduziertem Design und mit wenigen Farben. Palmers Erfolge und zukünftige Ziele wurden hier mit Fakten gestützt und überzeugten auf logos-Ebene. Eindeutige Piktogramme dienten als Querverweise für je eines der zehn Themen aus Palmers Wahlprogramm. Diese argumentative Serie bildete das Kernstück der Kampagne. Kurz vor der Wahl folgten Sympathieplakate von Palmer auf dem Marktplatz im Herzen Tübingens, die mit ethos und pathos arbeiteten. Trotz unterschiedlicher Designs sorgten wiederkehrende gestalterische Elemente für einen klar erkennbaren roten Faden.

Die Plakatkampagne von Palmer ist außerdem ein Beispiel für eine zielgruppenspezifische Ansprache, denn die Kampagne richtete sich vorwiegend an Fußgänger, Radfahrer und Nutzer des Nahverkehrs, was größere Spielräume der Plakatgestaltung über die üblichen Drei-Wort-Botschaften hinaus möglich machte. Der Erfolg der Plakatkampagne lässt sich nicht nur am Wahlergebnis von knapp 62% im ersten Wahlgang erkennen, sondern auch an der medialen Resonanz, die alleine die Plakate erreichten.

Galonska, Tomma (München): „Das Bildwerk und seine Stimmen. Über die Vision des ›sichtbaren Sprechens‹ in Dante Alighieris ›Commedia‹“Lecture Performance

Eines der bedeutendsten Reliefs der Kulturgeschichte wurde nie gemeißelt, außer in der Imagination. Gemeint ist jenes berühmte Relief des sichtbaren Sprechens, das Dante an den Eingang des Purgatoriums stellte (Göttliche Komödie, 2. Teil, X. Gesang). Drei Szenen sind in Marmorwände gemeißelt und der Betrachter meint die dargestellten Figuren sprechen, gar singen zu hören. Seit nunmehr siebenhundert Jahren hat Dantes Idee dieses visibile parlare die Kunsttheorie und Künstler_Innen weltweit inspiriert. In einmaliger Weise verdichtet sich hier die gegenseitige Bezogenheit von Bild und Wort, wird Dichtung in ein ausdrückliches Verhältnis zur Malerei gesetzt und umgekehrt.

Es ist nicht der Wettstreit der Künste, der hier thematisiert wird. Vielmehr zielen Dantes gemeißelte Figuren, deren Sichtbares sinnlich hörbar wird, auf die Überschreitung genau jener Reduktion, die einem ästhetischen Medium unwiderruflich inhärent ist. Die kategoriale Differenz zwischen Bild und Text scheint aufgehoben. Wohl wissend, dass dies (für die Menschenwelt) Utopie bleiben muss, wird es für Dante einerseits zum Inspirations-punkt und Kern seiner Kunstkonzeption: Ein jeweiliges Medium soll vom Künstler so weit als möglich über sich selbst hinaus geführt (oder gedacht) werden, um vom je anderen Medium durchdrungen werden zu können. Andererseits wird an eine  Suggestion appelliert, in deren Zentrum die Erfahrung des Rezipienten steht: Er ist es, der die mediale Transgression vollzieht, in seiner Imagination verbindet sich, was „dem Auge als Skulpturen, dem Ohr als Rufe, dem inneren Auge als Vision erscheint“. (Gmelin, Herrmann: Die Göttliche Komödie. Kommentar. II. Teil, Stuttgart 1955; S. 173.)

In theoretischen Streifzügen und anhand vorgetragener Textpassagen will die Lecture Performance Dantes vielschichtiges Konzept des sichtbaren Sprechens nachspüren und die Commedia als Zeugnis überwältigender Imaginationskraft erkunden.

Hagen, Judith S. (Jena): „Tränen und Emotionen in der Rhetorik Ciceros“Sektionsvortrag

In der antiken rhetorischen Literatur finden sich sowohl Belege für die die Verwendung visueller Elemente in der Redepraxis als auch Reflexionen über ihren Einsatz. Besonders Mimik und Gestik haben einen entscheidenden Einfluss darauf, wie glaubwürdig ein Redner auf seine Zuhörer wirkt, und somit auch darauf, wie erfolgreich er ist.

Ein besonders intensives Mittel, die eigene Rede gestisch zu untermalen, stellen Tränen dar. Sie transportieren Emotionen nach außen und machen sie für andere sichtbar; um welche Emotionen es sich im jeweils vorliegenden Fall handelt, ist kontextabhängig. Als Bestandteil der rhetorischen Strategie werden Tränen bereits in Ciceros De oratore empfohlen: Setzt der Redner sie an passender Stelle ein, sind sie das geeignetste Mittel, um beim Publikum Mitleid und ebenfalls Tränen hervorzurufen. Die affektische Beeinflussung der Richter und weiterer Zuhörer ist demnach durch den Einsatz irrationaler Argumente besonders stark und vollzieht sich in der Sichtbarmachung der Emotionen des Redners.

In seiner Schrift über den idealen Redner legt Cicero die theoretischen Grundlagen dar, die den künftigen Orator erfolgreich werden lassen sollen, doch lässt er die Teilnehmer dieses Dialogs auch aus deren eigener Redepraxis erzählen, um dem Leser sogleich die konkrete Anwendung der Ratschläge vor Gericht zu erläutern.

Es stellt sich nun die Frage, inwiefern Ciceros Empfehlungen in De oratore sich in seinen eigenen erhaltenen Reden widerspiegeln. Tränen finden in unterschiedlichen Kon-notationen darin Erwähnung: nicht nur eigene Tränen, sondern auch die Tränen anderer werden erwähnt. Die Untersuchung von Tränen als eines visuellen Phänomens mit Ausnahmecharakter in Zeugnissen rhetorischer Praxis lenkt den Fokus weg von deren verbalen Gehalt beziehungsweise den darin vorgebrachten Sachargumenten und legt ihn auf die Bedeutung nonverbaler Kommunikationsmittel.

Heinen, Ulrich (Wuppertal): „Praktische Übungen zur Visuellen Rhetorik“ – Workshop

Visuelle Rhetorik ist (auch? / vor allem?) eine bildnerische Praxis. Ausgehend von der Analyse einiger Beispiele der historischen und neueren visuellen Rhetorik lädt der Workshop zu eigenen praktischen Übungen und Erkundungen ein. In angeleiteten und eigenständigen Umgestaltungen bildnerischer Vorlagen sowie in der Skizze und der daran anschließenden schrittweisen Überarbeitung eigener Bildvorstellungen werden unterschiedliche Verfahren, Mittel und Kritierien der visuellen Rhetorik angewandt,  erprobt, weiterentwickelt und miteinander hinsichtlich des Erreichten und des Erreichbaren verglichen.
Zeichnerische Fähigkeiten sind nützlich, aber nicht erforderlich.
Falls vorhanden, können die TeilnehmerInnen eigenes Zeichenwerkzeug (Bleistift, Kugelschreiber, Filzstift), Skizzenblock, einfaches Klebeband mitbringen. Weiteres Material (Farbstifte, Kopiervorlagen, Tageszeitungen und Illustrierte zum Experimentieren) wird bereitgestellt.

Hinz, Janina (Tübingen): „Die Wirkungsmacht der inneren Visualisierung“Workshop

Techniken zur inneren Visualisierung finden bereits unter anderem erfolgreich in den darstellenden Künsten und im Leistungssport ihren Einsatz. Formen von Imaginationen können dabei helfen, Stress zu reduzieren, Sicherheit zu erlangen und Selbstbewusstsein aufzubauen sowie die performative Präsenz steigern. Die Wirksamkeit von mentalem Training wurde inzwischen in zahlreichen Studien untersucht und nachgewiesen. Das Visualisierungstechniken auch in der Rhetorik ihren Platz haben war bereits in der Antike bekannt, beispielsweise in der Anwendung von Mnemotechniken oder dem Hervorrufen von inneren Bildern beim Publikum als Affekttechnik.

In diesem Workshop soll gezeigt werden, wie sich Rednerinnen und Redner die innere Visualisierung, sprich durch den Einsatz von Mentaltraining, selbst zu Nutze machen können, um durch das Evozieren von Bildern, ihren Auftritt im inneren Film zu proben und Klarheit über ihre Stärken zu erhalten. Zunächst wird genauer untersucht wie innere Visualisierung in Form von Mentaltraining funktioniert. Anschließend werden verschiedene Visualisierungstechniken vorgestellt, um dann in praktischen Übungen selbst Methoden zur inneren Visualisierung und Imagination auszuprobieren und anwendbar zu machen.

Juel, Henrik & Sine Carlsen (Roskilde): „Politicians and the Rhetorical Power of the TV-Camera”Sektionsvortrag

Analyzing the rhetoric of a political debate on television normally means to analyze what is being said and what happens in front of the camera: the words and performance of the politicians. However, the appearance and reception of the politicians‘ efforts is also greatly influenced by the work going on behind the camera and with the camera. Skillfully conducted and in the right context a variety of camera movements, cuts, camera angles, and framing options can enhance or even construct what the audience will experience.

Most often these resources of professional television, film, and video productions pass unnoticed, and these features might be considered to be just technical or aesthetic and thus of minor interest for a rhetorical analysis. But it can be argued that the work behind the camera plays and important role in creating the attention, the mood, the emotional impact, the reception and understanding of a political speech and of a political debate. The camera work might be relevant for logos, ethos and pathos. We shall try to show that political debates and speeches on television and on social media deserve to be analyzed not just in terms of what is going on in front of the camera, but also in terms of how the camera and production set-up is staging and framing, moving, changing, focusing and pointing out to the audience. Camera work and editing can be a strong rhetorical tool – and in the hands of our opponents we might even call it “manipulative”.

Moving images can be moving in so many ways.

Kapplmüller, Herbert (Salzburg/München/Berlin): „Ein Bild erzählt sich im Bild als Bild“Sektionsvortrag

Eines der berühmtesten Beispiele für einen konstruierten zentralperspektivischen Bild-aufbau ist die Geißelung von Piero della Francesca (1455 -1460) in Urbino: Piero setzt die mathematisch exakte Konstruktion der Zentralperspektive nicht als Illusionsmittel von Raumtiefe ein.

Während Autoren wie Panofsky den zentralen Fluchtpunkt als symbolische Form für die Unendlichkeit des Raumes interpretiert haben, gibt der Künstler in seinen bild-kompositorischen Strategien eine andere Lesart vor. Anders als allgemein angenommen setzt Pieros Genie die mathematische Konstruktion nicht im Sinne der Illusionierung von Raumtiefe ein sondern als bildrhetorisches Mittel, um Zeit darzustellen. Der narrative und symbolische Gehalt der zentralperspektivischen Konstruktion ist die gleichzeitige Darstellung vergangener und gegenwärtiger Zeit, die er den Bildhälften zuordnet als ein Geschehen im Hinter- und Vordergrund.

In neuer Lesart, als Graphic Novel, zeichne ich, mit welchen bildrhetorischen Strategien Piero die Zentralperspektive systematisch dekonstruiert und konsequent zerbricht, um das Bild als reines Bild zu zeigen und zu reflektieren.

Knape, Joachim (Tübingen): „Gibt es eine phänomenologische Bildtheorie?“Plenarvortrag

Der Vortrag beleuchtet eine Kritik an den Vorstellungen der Phänomenologen vom Bild und ihre Behauptung, es gebe eine “asemiotische Kommunikation”.

König, Sebastian (Tübingen): „Online-Dating-Apps. Ein erster rhetorik-theoretischer Aufschlag“Sektionsvortrag

Kommunikationsprozesse unserer Alltagswelt waren lange Zeit auf ein Hier-und-Jetzt der Kommunikationspartner beschränkt, der klassische Briefwechsel stellte die Ausnahme dar, später das Telefongespräch. Mit dem Beginn der Digitalisierung wurde diese raum-zeitliche Einschränkung jedoch innerhalb kürzester Zeit aufgelöst. Auch das Feld der Partner-werbung war davon betroffen, so entstanden schon in den frühen 1990ern sogenannte Partnerbörsen, die es Suchenden am Computer ermöglichten, Kontakt miteinander aufzunehmen, in ein Chatgespräch einzutreten und auf ein Treffen hinzuarbeiten.

Während diese Plattformen meist einer ‚Profil-Logik‘ folgten, die die Auswahl von bestimmten Eigenschaften der Mitglieder hervorhob und so die explorative Phase der Werbenden in einen eher analytischen Rahmen setzte, hat sich die virtuelle Partnersuche nunmehr durch das Massen-Phänomen Smartphone und die auf diesem Medium entstandenen Online-Dating-Apps zu einer Inszenierung von Bildlichkeit radikalisiert.

In meinem Beitrag möchte ich drei Aspekte dieses Phänomens hervortreten lassen und mit dem rhetorischen Brennglas betrachten: Zuerst soll das neue Setting, der neue Nutzungskontext dieser Online-Dating-Apps genauer ausgeleuchtet werden, denn dieser ermöglicht die Hinwendung zum Visuellen erst oder fordert sie in manchen Fällen sogar. Anschließend möchte ich auf das unterschiedliche Design verschiedener Online-Dating-Apps eingehen, denn gerade die Designstruktur ist es häufig, die Bedingungen stellt, sodass die Kommunikatoren keine andere Wahl haben, als Bildlichkeit zum stärksten argumentativ-persuasiven Faktor werden zu lassen. Eine erweiterte Frage wird hier sein, ob das Design einer Online-Dating-App ein Potenzial im Sinne einer Dispositivstruktur besitzen kann, bestimmte Arten von Nutzer-Subjekten zu prägen. Beispielsweise: Führt die stets saliente ‚Listen-Logik‘ zu einem vermehrten Streben oder gar zu einer endlosen Suche nach dem perfekten Partner, der perfekten Partnerin? Der dritte und abschließende Aspekt befasst sich mit visuellen Strategien des klassischen Programms „Tinder“, welches das Online-Dating durch seinen ‚Swipe-Mechanismus‘ popularisierte: Es geht hierbei insbe-sondere um die Frage, ob die rasante Nutzungsgeschwindigkeit als zentraler Faktor bei der sozialen Fokussierung auf das Visuelle gesehen werden kann.

Kreuzbauer, Hanna (Salzburg): „Rhetorizität der Fotografie“Sektionsvortrag

Seit Ihrer Entstehung um 1830 ist die Fotografie zu einem der wichtigsten Bildmedien der Moderne – wenn nicht dem wichtigsten Mildmedium – geworden. Dennoch werden die rhetorischen Mechanismen der Fotografie bis heute nicht völlig verstanden, weshalb dieser Vortrag einen Beitrag dazu leisten soll.

Dazu wird zunächst die Fotografie als Bildmedium kurz vorgestellt. Dann wird auf die spezielle rhetorische Stilistik der Fotografie eingegangen: In Anlehnung an Heinrich Plett wird zwischen drei Klassen von rhetorischen Stilmitteln unterschieden, und zwar (1) prä-und para-ikonischen, (2) ikonisch-symbolischen und (3) textuell-narrativen Stilmitteln. Diese Klassen von Stilmitteln werden zunächst mit Bezug auf die Fotografie erklärt. Im Anschluss daran wird anhand bekannter Beispiele der Fotografie erläutert, wie diese Stilistik in der Fotografie umgesetzt wird und wie man damit rhetorische Profile fotografischer Werke gewinnen kann.

Küffer, Simon (Bern): „Geldschein. Zur visuellen Rhetorik des Geldes“Sektionsvortrag

Das als Dissertation angelegte und vom Schweizerischen Nationalfonds SNF finanzierte Forschungsprojekt widmet sich der Frage, inwiefern massenmediale Bilder beziehungs-weise visuelle Gestaltungen konstitutiv zur sozialen Wirklichkeit Geld beitragen. Dies impliziert ein Geldverständnis, das weit über seine medialen Träger wie Münzen und Banknoten hinausgeht: ähnlich wie ein H&M-Plakat reale Geschlechterverhältnisse re-produziert, so verleiht ein UBS-Plakat einer bestimmten historischen Form und Funktion des Geldes Geltung, zum Beispiel auf Ersparnisse Zinsen zu erhalten.

Hierzu wird ein Bildkorpus analysiert, das unterschiedliche Akteure und damit unter-schiedliche ›Gelderzählungen‹ abzubilden imstande ist: Werbung von Finanzinstituten, Titelblätter der Zeitschriften Spiegel und Beobachter, Musik-Covers aus den Charts sowie die alteund neue Banknotenserie der Schweiz. Ein zentrales Anliegen ist es hierbei, die spezifisch visuelle Qualität und die sich aus ihrer Visualität nährende Eignung dieser Bilder zur Reproduktion des Geldes zu erfassen. Zu diesem Zweck wird ein spezifisches Analyseformat der visuellen Rhetorik verwendet (und ausgebaut), das wir in den letzten zehn Jahren an der Hochschule der Künste Bern HKB erarbeitet haben.

Im Sinne einer Regelästhetik werden hierbei visuelle Techniken an intendierte Wirkungen gebunden: man verwendet z.B. einen schwarzen Hintergrund und die Schrift Bodoni, um elegant zu wirken. Diese Techniken werden grob in drei Gruppen unterteilt: neben den erwähnten ›formalen‹ Stilmitteln sind das die ›inhaltlichen‹ visuellen Topoi (eine Art visueller, schnell verständlicher Gemeinplatz: zum Beispiel die Faust) und die ›relationalen‹ visuellen Figuren (zum Beispiel die Wiederholung oder die Metapher).

Polz, Sylvie & Tomma Galonska (München): „›Ich seh viel mehr, mach ich die Augen zu‹. Über die Wirksamkeit innerer Bilder bei der Rede“Workshop

Im Mittelpunkt dieses Workshops stehen das Erleben und Erforschen innerer Bilder und wir fragen, wie diese unseren Sprachausdruck beeinflussen. Die Fähigkeit zur Imagination ist durch die mediale Bilderflut und den unreflektierten Umgang mit Computern bedroht. Nicht nur führt die Dominanz des Auges zu einem Verlust der Einbeziehung aller Sinne, die Dauerstimulation durch Vorstellungen und Bilder aus zweiter und dritter Hand lassen auch die gestaltende und schöpferische Komponente eigener Bildproduktion aus dem Blickfeld geraten. Was hat im Vergleich mit dem Bilderaufgebot moderner Medien das Reservoir subjektiver innerer Bildsprache anzubieten?

Bei dem Stimm-­ und Sprechtraining von Kristin Linklater werden Tricks aus dem Bereich der Imagination genutzt, um bewusst und zielgerichtet innere Bilder entstehen zu lassen. Faszinierend ist, dass der Einsatz von Imaginationen zu einer idealen Körperspannung führt und damit der Stimme eine organische Schubkraft und Präsenz gibt. Auch das Visualisieren der eigenen Körpersprache ist ein beliebtes und wirksames Mittel der Theaterarbeit, um auf den Körper einzuwirken und so die Bewegungsmuster zu erweitern.

Aristoteles führt die etymologische Bedeutung des Wortes phantasia auf das Licht beziehungsweise den Lichtschein zurück. Das Training des Vorstellungsvermögens kann die rhetorische Überzeugungsarbeit erhellen. Eine Intensivierung der persuasiven Möglichkeiten stellt sich ein, Versprachlichung wird als integrales schöpferisches Handeln erlebbar. Einfache, grundlegende Basisübungen, flankiert durch aktuelle Forschungen aus der Neurobiologie ermöglichen einen neuen Blick auf die Relevanz der Imaginationen. Ergänzend werden wir die positive Wirkung bildhafter Sprache in der Rede beleuchten.

Rex, Bernd F. (Stuttgart): „FlipChart, goodbye?“Workshop

Wer in einem Workshop oder einer Besprechung die Vorteile der Visualisierung nutzen möchte, der greift normalerweise auf FlipChart, Moderationswand, Whiteboard oder auch auf die gute, alte Tafel zurück. In Zeiten, in denen fast jeder ein Tablet (wie z.B. iPad oder ähnliches) oder ein Smartphone nutzt, stellt sich die Frage, ob die herkömmlichen Hilfsmittel der Visualisierung noch zeitgemäß sind. Kann man im Jahr 2018 nicht mit moderneren Mitteln besser visualisieren?

In diesem Workshop soll anhand konkreter Beispiele der Frage nachgegangen werden: „Wie und wofür können Tablet und Smartphone als Hilfsmittel im Visualisierungsprozess genutzt werden?“ Dabei sollen auch die notwendigen technischen Voraussetzungen besprochen werden.

Im Gegensatz zu vielen anderen Veranstaltungen sind in diesem Workshop alle Teilnehmenden herzlich eingeladen, ihr eigenes Tablet und Smartphone mitzubringen!

Rohloff, Clara (Tübingen): „Inszenierungsmaschine Instagram. Wenn Bilder Politik machen: Visuelle Topoi in Politikerprofilen von Instagram“Sektionsvortrag

Popstars, Sportblogger oder Fashion-Influencer… Die Liste derer, die Instagram erfolgreich nutzen, um eigenen visuellen Content zu verbreiten, ist endlos. Das #selfie oder das Posten des eigenen #healthyfood gehört zum guten Ton auf Instagram – all das ist Teil der Medienroutine des 21. Jahrhunderts. Aber kann Instagram auch für politische Zwecke genutzt werden? Ist Instagram eine Plattform für politisch-strategische Kommunikation und wenn ja, wie funktioniert diese? Spätestens seit Obama im Jahr 2008 einen Coup aufgrund seiner Social Media-Wahlkampfkommunikation landete, wissen wir: Soziale Medien sind nicht nur eine Spielerei, sie haben politisches Potential!

In diesem Vortrag werde ich Einblick in meine Bachelorarbeit geben, in der untersucht wurde, inwiefern durch die Etablierung von visuellen Topoi auf Instagram politische Ziele erreicht werden können. Dazu habe ich eine Topos-Analyse von insgesamt 600 Photos der Politiker Barack Obama, Angela Merkel und Recep Tayyip Erdoğan durchgeführt. Die grundlegende Fragestellung dabei war: Welche politischen Ziele der jeweilig Regierenden können durch die Nutzung der App Instagram verfolgt werden und auf welche visuellen Topoi wird bei der Durchsetzung zurückgegriffen? Die implizite These hierbei ist, dass Instagram für Politiker beziehungsweise politische Institutionen durch die Verwendung von visuellen Topoi die Möglichkeit bietet, politische Intentionen, wie etwa das Erreichen der jungen Wählergruppe, die Legitimierung der Herrschaft oder den bloßen Imageaufbau, durchzusetzen.

In diesem Kurzvortrag sollen theoretische Aspekte zu Charakteristika und Beschaffenheit der App Instagram gegeben werden und die Rolle von visuellen Topoi bei der Argu-mentation erläutert werden. Anschließend sollen Methodik und Vorgehen der Unter-suchung vorgestellt werden, sowie die Analyseergebnisse präsentiert und einige besondere Fälle hervorgehoben werden. Zum Abschluss des Vortrags kann ein Fazit darüber gezogen werden, inwiefern Topoi-Etablierung auf Instagram überhaupt möglich ist und in welchem Maße sie wirksam sein kann. Außerdem kann ein Ausblick gewagt werden, welche Rolle Instagram in Zukunft im Bereich der visuellen Rhetorik spielen kann und inwiefern sich hier weitere Forschungsfelder erschließen lassen.

Scheuermann, Arne (Bern): „›Design ist unsichtbar‹. Designrhetorik vs. Visuelle Rhetorik“Sektionsvortrag

Bei der Beforschung des Gegenstandsbereichs ‚Design‘ lassen sich unterschiedliche Blickwinkel einnehmen; bewährt hat sich hierbei im aktuellen Diskurs die Trias von designen (Produktionsprozess), Designer (Akteure) und Design (Ergebnis: vom Artefakt bis zum Service). Sie ist meines Erachtens in besonderem Masse dazu geeignet, auch rhetorische Positionen zu verwenden, da in ihr Produktionsperspektive und die Rezep-tionsperspektive aufeinander bezogen werden können.

Dies wirft jedoch die Frage auf, inwiefern und auf welche Art spezifisch die ‚visuelle Rhetorik‘ als Konzept, Praxis oder geschichtlich gegründete Perspektive beschreibungs-kompetent für Design ist: Wie soll eine ‚visuelle Rhetorik‘ mit jenen Bereichen im Design verfahren, die beispielsweise produktionsästhetischer Natur sind, sich aber nicht visuell zeigen; oder mit Artefakten, die an medienspezifische Rhetorizitäten gebunden sind, die nicht visuell sind; oder mit Design, das ganz und gar dezidiert nicht-visuell ist?

Zum Aufwerfen dieser Fragen möchte ich eine bestehende und bereits publizierte Fallstudie (zur Designrhetorik bei Lego Star Wars) in den weiteren Rahmen designtheoretischer Überlegungen von Lucius Burckhardt stellen, mit dessen radikaler Position „Design ist unsichtbar“ die ‚visuelle Rhetorik‘ auf den Prüfstein gestellt werden kann. Dabei soll auch ausgelotet werden, wie die nicht-visuellen Eigenschaften von Design gleichwohl rhetorisch gefasst und für den Diskurs der visuellen Rhetorik fruchtbar gemacht werden können.

Scheuermann, Arne & Pierre Smolarski (Bern): „Chancen und Risiken der visuellen Rhetorik. Eine Auslotung“Impulsgespräch

In den vergangenen Jahren wurde im Bereich der visuellen Rhetorik, insbesondere aber im Feld der Gestaltung, eine Reihe von Theorievorschlägen gemacht, die neuartige Fragen aufwerfen: Ist visuelles Gestalten per se eine rhetorische techne oder nur in Teilbereichen wie der elocutio? Kann man hier von bestehenden Übertragungsmodi (wie in der Musik) lernen? Welche Rolle spielt die spezifische Wirkungsintentionalität von Medien? Welche Rolle spielt die Historizität des Phänomens? Braucht es in der Gestaltung auch immer einen empirischen orator oder kann auch das gestaltete Artefakt in Zeiten Algorithmus-gesteuerter Kommunikation selbst zum orator werden? Ziel des vorgeschlagenen Zweier-Gesprächs ist es, diese Fragen aufzuwerfen und zu beleuchten – ohne den Anspruch zu erheben, bereits ausformulierte Antworten bereitzustellen.

Im Kern geht es dabei um die Übertragbarkeit antiker und frühneuzeitlicher Konzepte auf (post)modere Zustände: Wo genau ist die Rhetorik beschreibungskompetent für Phänomene ausserhalb des gesprochenen Wortes? Und was sind die Grenzen dieser Konzeption?

Pierre Smolarski und Arne Scheuermann gehen diesen Fragen in einem 20-minütigen Gespräch nach, das die bestehenden Positionen aus Rhetorik- und Designtheorie streitbar mit eigenen Forschungsergebnissen verbindet.

Schuhmacher, Frank (Tübingen): „Ins rechte Bild rücken. Der Mythos als bildgebendes Verfahren bei Benito Mussolini“Sektionsvortrag

Mit dem Einsatz von Metaphern und material gefüllten Topoi konstruierte der italienische Faschist Benito Mussolini eine suggestive Bilderwelt. In meinem Vortrag möchte ich am Beispiel des Imperio-Mythos dieses Verfahren aufzeigen und untersuchen, inwiefern er an schon bestehende Überzeugungen anschloss und diese für die Mobilisierung der Massen benutzte.

Der Mythos als bildgebendes Verfahren ist ein alternatives Erklärungsmodell zum noch immer in der Faschismus- und Propaganda-Forschung vorkommenden Opfernarrativ durch Affektüberwältigung. Für den Mythos grundlegend ist dabei eine bekannte Prämisse aus der Rezeptionsästhetik: ein vages, umrisshaftes Bild ist so ergänzungsbedürftig, dass das Publikum es mit seiner Vorstellungskraft füllen kann und muss.

In einem weiteren Schritt sollen die historischen Wurzeln des verwendeten Mythos sowie die Umformung, die er durch die Faschisten erfahren hat, aufgezeigt werden, um dann als ein Element von vielen in den Reden und Ansprachen des „Duce“ wiederaufzutauchen.

Smolarski, Pierre (Bern/Bielefeld): „Ars bene vivendi. Visuelle Rhetorik des Wohnens”Sektionsvortrag

Die Auseinandersetzung mit der visuellen Rhetorik des Wohnens ist Teil einer größeren Erarbeitung einer Theorie der Alltagsästhetik und deren rhetorischer Indienstnahme. Wohnen in seinem umfassenden, existentiellen Sinn ist bei Heidegger die Weise, wie die Sterblichen auf Erden sind. Es ist der Sinn des Bauens, nicht etwa bloß dessen Ergebnis, und meint im Kern ein Pflegen und Hegen, ein Bleiben und Verweilen und letztlich ein Zufrieden-Sein und Schonen.

Schon ein kurzer Blick in die architekturtheoretischen Debatten – insbesondere zu Beginn des 20. Jahrhunderts – zeigt, dass Wohnen nicht einfach eine ‚Privatsache‘ ist, sondern umfassend als Sinn des Bauens, nicht nur in einem architektonischen, sondern auch in einem gesellschaftlichen Sinn verstanden wird. Es geht um die Erziehung eines ‚neuen Menschen‘, um die Anerziehung eines Sinns für Sachlichkeit und Zweck, ja überhaupt um die Proklamation eines ‚guten und richtigen Lebens‘, das sich nicht bloß im Wohnen zeigen, sondern von da aus – aus dem Alltag des Einzelnen heraus – gesellschaftlich verwirklichen soll. Wohnen ist, so die These des Vortrags, ein hochgradig normativ-didaktisches Konzept, das die alltägliche Reproduktion des Einzelnen wie der gesellschaftlichen Objektivationen (Agnes Heller) unterstützt. Wohnen stabilisiert das gesellschaftliche Bild einer vermeintlich natürlichen Ordnung (vgl. Heideggers ‚Schonung des Geviert‘).

Die zentralen Fragen meines Vortrags werden sein: Was zeigen wir, wenn wir über das Wohnen reden? Wie werden die normativen Ansprüche des Wohnens visuell umgesetzt und wie lässt sich die Inszenierung rhetorisch fassen? Hierzu sollen visuell-rhetorische Inszenierungen in Zeitschriften und Katalogen (IKEA, Schöner Wohnen, etcetera) ebenso Berücksichtigung finden wie TV-Berichte (beispielsweise über das ‚Wohnen auf der Straße‘) und Fragen der Ordnung und Anordnung in Verkaufsräumen (etwa Küchenstudios). Getragen von einer rhetorischen Theorie des Place-Makings (Norberg-Schulz, Tuan, Cresswell) soll gefragt werden, inwiefern die ‚Herstellung des Wohnens‘ ein rhetorischer Akt ist, letztlich also – im Sinne Heideggers – inwiefern Rhetorik ein Bauen ist.

Stöckl, Hartmut (Salzburg): „Bildende Kunst in der Printwerbung. Text-Kunstwerk-Bezüge aus der Sicht einer multimodalen Rhetorik“Sektionsvortrag

Kunst hat in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Einzug in die Werbepraxis gehalten. Be­kannt ist zum Beispiel die englische Seifenanzeige für Pears aus dem Jahre 1888, die das da­mals populäre Gemälde von John E. Millais A Child’s World adaptiert. Seitdem spiegelt die Wer­bung Kunst­richtungen und -stile, indem sie deren Werke zitiert oder imitiert. In den 1960er  Jahren wird die Werbung auch zum Gegenstand künstlerischer Auseinandersetzung. Das sich intensivie­rende inter­mediale Miteinander der beiden sozialen Praktiken Kunst und Werbung lässt sich prinzipi­ell wahlweise als Symbiose, parasitäres Verhältnis oder wechselseitige ästheti­sche Vorbildfunktion beschreiben.

Der Vortrag befasst sich ausschließlich mit der Verwendung und Imitation bekannter Werke und Stile der Bildenden Kunst in neueren Printwerbekampagnen. Er stellt die grundsätzliche Frage, welchen kommunikativen Nutzen die Werbetreibenden aus der Zitation, Manipulation und Imitation von bildkünstlerischen Motiven und Stilen  ziehen und wie diese Effekte rheto­risch erzielt werden kön­nen. Dabei wird die These vertreten und illustriert, dass künstlerische Bil­der nicht allein wegen ihrer konnotativen Mehrwerte Verwendung finden, sondern vor allem im Dienste einer oft indirekten und inferenzreichen multimodalen Argumentation stehen, die ausge­wählte Bildzeichen mit minimalen sprachlichen Aussagen koppelt.

Eben jene Text-Kunstwerk-Bezüge und ihre rhetorisch-argumentative Konstitution stehen im Zent­rum des Vortrags. Sie sollen auf der Grundlage eines kleinen Korpus von Automobil-Anzei­gen in drei Aspekten untersucht werden. Erstens ist zu fragen, welche visuellen Propositionen Kunst­werke und deren Imitationen haben und wie diese in Produkt- und Markendis­kurse eingebun­den werden können. Zweitens gilt es zu untersuchen, welche Typen von Argumenten mit­tels Bildkunst konstruiert werden und wie diese durch Sprache, Bilder und rhetori­sche Mus­ter zustande kommen. Drittens muss geklärt werden, welche kontext-erweiternden Funktionen sprachli­che Kommentare für die Kunstwerke haben und welche logisch-semantischen Bezüge sich dadurch vorzugsweise ergeben.

Der Vortrag zeigt einen Mangel an Kontextualisierung der visuellen Propositionen, Spannung zwi­schen sprachlichen und bildlichen Aussagen sowie wenig explizite multimodale Kohäsion als typische Merkmale von Text-Kunstwerk-Bezügen in der Werbung.

Stumpfögger, Lisa (Salzburg/München/Berlin): „Gibt es so etwas wie einen Bildakt?“Sektionsvortrag

Den Begriff des Bildaktes hat Horst Bredekamp der Sprechakttheorie Paul Austins in Adaption für sein Metier der Bildwissenschaften entlehnt. Bredekamp stützt seine Theorie mit einem Ritt durch die Natur-, Kunst-, Kultur- und Menschheitsgeschichte. Fast scheint es, als habe es nie etwas anderes gegeben und gäbe es auch heute nichts anderes als fortwährend neu entstehende Bildakte. Sei es die Bildnerin Natur oder der Mensch und seine Artefakte: alle Formen der Natur, Gegenstände, das Körperschema, Gesten, Tänze, gemalte Bilder, Plastiken, Fotos, Videoarbeiten, der Mnemosyne-Atlas Aby Warburgs alles sind Beispiele für Bildakte und damit Bild. In diesem Rundumschlag geht ein sinnvoller Begriff des Bildes verloren und taucht der Begriff der Wahrnehmung nicht auf. Nach Bredekamp ist der Kern des Bildaktes eine dem Bild eigene energeia welche diesem ein vom Betrachter unabhängiges und eigenes Lebensrecht zuerkennt. Bredekamp schwebt vor, dass dem Rezipienten beziehungsweise dem Ich des Betrachters eine neue, be-scheidenere Rolle im Geschehen des Betrachtens zuwachsen kann.  Indem dieses sich im Bildakt nicht als Herr und Schöpfer und souveräner Interpret des Kunstwerkes erfährt, vielmehr – unter Berufung auf Adorno – dessen Eigenmacht, Eigengesetzlichkeit und Eigenlogik Gehorsam oder Folge leistet, kann es sich aus seiner egomanischen Selbstbefangenheit befreien. Auch der Wissenschaftler kann sich aus der Befangenheit in Einzeldisziplinen befreien. Dieser so alte wie schöne Gedanke ist im 20. Jahrhundert von namhaften Psychoanalytikern und in der Phänomenologie aufgegriffen und entfaltet worden, worauf Bredekamp nicht Bezug  nimmt.

Damit seine Anstrengung nicht verpufft oder als überholte Rezeptionstheorie missverstanden wird, will der Vortrag die Zielsetzung und den Wert der Bildakttheorie in ihrer antinarzisstischen Intention aufgreifen. Dazu muss der Begriff des Bildes eingegrenzt werden. Das rezipierende oder betrachtende Ich wird erweitert im Begriff des Leibes. Anstelle des Bildaktes rückt der Akt der Wahrnehmung wie ihn Maurice Merleau-Ponty entfaltet hat. Hier ist der Körper nicht Bild sondern Leib welcher nach Sigmund Freud dem in der Körperoberfläche verorteten Ich diejenige Fremdheit gegenüber der Welt beschert, auf die Bredekamp zielt und auf die es ankommt, will der heutige Mensch dem Gefängnis seines narzisstischen Verhältnisses zur Welt mit Hilfe der Kunst entwachsen. Visuelle Rhetorik wäre hier verstanden als bewusst gelebte Beziehung zu Bild, Raum und Welt.

Susanka, Thomas (Tübingen): „Eine Rhetorik des Anschaulichen“Sektionsvortrag

Die Theorie der visuellen Rhetorik sieht sich vor zahlreichen Herausforderungen: Auf der einen Seite gilt es, deduktiv die Anwendbarkeit der Kategorien der Rhetorik im Bereich der visuellen Kommunikation zu überprüfen, anderseits heißt es, in induktivem Verfahren eine dem Visuellen eigene Rhetorik zu identifizieren, so Sonja Foss (2004). Jedoch bleibt das Feld der visuellen Kommunikation dabei häufig noch unbestimmt und wird sodann als identisch mit Bildlichkeit gedacht.

Das Reich der visuellen Kommunikation ist aber weitaus umfangreicher und komplexer, umfasst auch Typografie, den Einsatz von Farben, das Layout – und vor allem eine Vielzahl von sehr unterschiedlich funktionierenden und bedeutenden Visualisierungsformen (von denen Bilder nur eine Variante sind). Wie lässt sich angesichts dieser Pluralität überhaupt von einer einheitlichen Theorie der visuellen Rhetorik sprechen? In dem Vortrag möchte ich dieses Spannungsfeld am Beispiel des rhetorischen Konzepts der evidentia und den beiden angeschlossenen Techniken der enérgeia und enárgeia untersuchen und – auf induktiven Wege – nach einem allgemeinen Merkmal einer visuellen Rhetorik suchen.

Wacker, Gabriela (Tübingen):  Graphic novels im Deutschunterricht zum Dekodieren der Bilder verhelfen

 Der moderne Comic ist mittlerweile als ‚Neunte Kunst‘ profiliert und beschäftigt zunehmend auch die Deutschdidaktik. Unter die Gattung ‚Comic‘ lässt sich die ‚Graphic Novel‘ (deutsch graphische Novelle oder Bildroman) subsumieren, deren Begriff 1978 von Will Eisner geprägt wurde. Darunter versteht man nach Wolfgang Hallet eine fiktionale romanartige Langerzählung, die sich der Darstellungsweise des Comics bedient. Neben einer Graphic Novel zu Kafkas „Verwandlung“ (von Eric Corbeyran (Szenario) und Richard Horne (Zeichnungen) von 2010), die Text und Bilder neuartig kombiniert, soll eine Graphic Novel thematisiert werden, die lediglich aus Bildsequenzen besteht – wie etwa Shaun Tans „Ein neues Land“ – und somit eine besondere Herausforderung für die Lektüre darstellt. Wie diese ‚stumme‘ Graphic Novel, eine berühmte Bildgeschichte über Migration und die Reise eines Familienvaters in ein neues Land – u.a. im Deutschunterricht, aber auch darüber hinaus – ‚gelesen‘ respektive gedeutet und welche rhetorischen Bildnarrative klassifiziert werden können, soll im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Zahlreich verwendete dokumentarische Bildvorlagen, die für den Migranten wie für den Rezipienten fremden Symbole und anfangs unverständlichen Zeichen des neuen Landes, die Empathie ermöglichen, der funktionale Einsatz des ‚Rinnsteins‘ mit Farbtonwechseln zur Markierung unterschiedlicher Erzählebenen, die durch den fehlenden Text aufgeworfenen zahlreichen ‚Leerstellen‘ zwischen den Panels und Bildsequenzen u.a. laden zur – auch handlungs- und produktionsorientierten – Analyse und Kommentierung der Bildsemantik mit dem Ziel einer Vertiefung der interkulturellen und medienrhetorischen Kompetenzen ein.