Metapher

(griech. meta = anderswohin, pherein = tragen; lat. metaphora, translatio; dt. Übertragung)

Grob gesehen zieht man bei der Metapher ein Wort heran, das logisch gesehen im Satz keinen Sinn ergibt, aber den Inhalt der Aussage verdeutlicht. Die Metapher hat den Zweck, mit wenigen Mitteln etwas zu erklären und zu veranschaulichen. In Metzlers Literaturlexikon gibt es eine treffende Definition: „Das eigentlich gemeinte Wort wird erst  durch ein anderes, das eine sachliche oder gedankliche Ähnlichkeit oder dieselbe Bildstruktur aufweist,  klar“ (Metzler S.494). Darüber hinaus ist der Metapher ein großes kreatives Potenzial zuzuschreiben. Durch die Projektion einer Bedeutung auf eine andere schafft sie nämlich etwas Neues, und wirkt deshalb so faszinierend. Ein Beispiel aus der deutschen Literatur:

„ Der Himmel war schwarz und eng und hatte seine Sterne in der Tasche versteckt.“
(Elias Canetti. Die Blendung)

Die Metapher gilt als die „Königin“ der Tropen; damit haben wir schon die erste Metapher dieses Artikels. Sie ist die bekannteste aller Stilfiguren. Die Theoretiker setzten sich schon sehr früh mit der Metapher auseinander. Bereits Aristoteles widmete ihr einen beachtlichen Teil seiner Lehrschrift „Rhetorik“. Metaphern drücken seiner Meinung nach die Dinge bildlich

aus, ohne sie direkt beim Namen zu nennen (vgl. Arist. Rhet. 1405b). Auch Cicero beschäftigte sich intensiv mit der Metapher und nannte sie “ein Wunder an Kürze“. (Cic. De or. III, 157) Über die Jahrhunderte hinweg blieb man sich über diese wichtigen Merkmale der Metapher einig. Diese Kontinuität unterscheidet die Metapher von vielen anderen Figuren, deren Definitionen sich im Laufe der Zeit oft geändert haben.

Nach dem heutigen Wissensstand stellt es sich als äußerst schwierig heraus, die Metapher präzise zu kategorisieren: sie verändert sich nämlich von Situation zu Situation. Das liegt an einer großen Besonderheit: Die Metapher ist gleichzeitig eine eigene Stilfigur und eine übergeordnete Kategorie für andere Tropen. Daher die Unklarheiten.

Bei der Metonymie zum Beispiel  erfolgt die Übertragung auf logischer Basis: zum Beispiel „Ich spiele Mozart.“ Es sollte heißen: „Ich spiele die Musik von Mozart“. Schwierig fällt auch die Abgrenzung zur Katachrese: Es handelt sich hier um einen übertragenen Ausdruck, der sich schon derart in unseren Sprachgebrauch eingeschlichen hat, dass er uns nicht mehr bewusst wird, wie  zum Beispiel: „Weggabelung“ oder „Fußpilz“.

Man kann die Metapher auch als einen verkürzten Vergleich interpretieren, wie: „Du bist (wie) ein Esel.“ Sie ist auch nicht weit von der Synekdoche (z. B: Der Mensch. [für Menschheit]) einzuordnen. Bei folgendem Beispiel sieht man, wie schwer eine klare Grenze zwischen der ?Periphrase (Umschreibung) und der Metapher zu ziehen ist:

„Das rote Licht ist schwer. Es liegt auf den staubigen Schuhn. Es kriecht an die Knie, es schaut in die gefalteten Hände hinein.“
Rainer Maria Rilke: „Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke“)

Manchmal besteht die Metapher aber auch nur aus einem Wort wie etwa dem Übernamen von Louis XIV: „Sonnenkönig“.

Die Metapher ist eine Überraschung. Anhand einer Gemeinsamkeit bringt sie zwei Begriffe zusammen, wo man zunächst gar keine Ähnlichkeit vermutet, und versetzt das Publikum ins Staunen. Beispiel:

„Narben in meinem Gedächtnis.“
(Schlagzeile aus: Le monde diplomatique. Februar 2008. S.3)

Physiologisch gesehen kann das Gedächtnis gar keine Narben haben, aber trotzdem wird verständlich, was der Verfasser des Artikels damit meint: Erinnerungen an Zeiten, die sehr schwer und verletzend waren, sind unauslöschlich da.

Laut Aristoteles hat die Metapher die Funktion kurz, erhellend und anregend zu sein (vgl. Arist. Rhet.1405a). Für Kolmer und Rob-Santer besteht ihre Aufgabe auch darin, etwas Abstraktes fassbar (konkret) zu machen und damit näher zu bringen (vgl. Kolmer, Rob Santer 135). Meiner Meinung nach könnte man somit sagen: der Metapher dient der evidentia. Hier ist das lateinische Verb videre (sehen) versteckt. Etwas ist evident, wenn es ersichtlich, deutlich und verständlich ins Bild gesetzt wird.

Wichtig: Man sollte sich immer bewusst sein, dass die Übertragung nur einen Aspekt der Sachlage beleuchtet und den Rest ausblendet. Dadurch werden viele andere Informationen verloren, die wichtig sein könnten. Das gilt vor allem dann, wenn die Metapher in der Politik verwendet wird: hier erweist sich ihr persuasives Potenzial.  So nannte man im Jahr 1990 in den USA als Rechtfertigung für einen Angriff auf den Irak „die Vergewaltigung Kuwaits (durch den Irak)“.  (Lakoff/ Wehling, S. 76)

Hier haben wir es mit einer Personifikation zu tun: ein Land kann nicht vergewaltigt werden. Der Terminus Vergewaltigung scheint uns näher zu sein und uns mehr „anzugehen“.

Deshalb hat er eine viel größere Wirkungskraft als etwa der Begriff „militärischer Angriff“.

Franziska Guggenbichler-Beck

Literatur:

Aristoteles: Rhetorik; G. Krapinger (Hg.) Reclam, Stuttgart 1999.

E. Eggs: Metapher, in: HWRh Bd.5, Sp. 1099-1183.

G. Lakoff/ E. Wehling: Auf leisen Sohlen ins Gehirn. Politische Sprache und ihre heimliche Macht. Heidelberg 2008.

G. Lakoff, George/ M. Johnson: Leben in Metaphern. Konstruktion und Gebrauch von Sprachbildern. Heidelberg 2007.

Metzler Lexikon Literatur. D. Burdorf, C. Fasbender, B. Moenninghoff (Hg.) 3. Auflg. Stuttgart. 2007.

L. Kolmer/ C. Rob- Santer: Studienbuch Rhetorik. Paderborn 2002.

F. Rigotti: Die Macht und ihre Metaphern: über die sprachlichen Bilder der Politik. Frankfurt am Main 1994.