Um die rhetorische Figur ‚Klimax’ möglichst präzise zu definieren, ist es vorerst notwendig diese in der ‚klassisch-antiken’ und den ‚modernen’ Klimax zu trennen. Die ‚klassische’ Klimax setzt sich aus zwei Besonderheiten zusammen:
1. Das erste Merkmal lässt sich als ‚weiterlaufende Anadiplose’ entlarven und meint die Wiederholung einer Sinneinheit der ersten Periode in unmittelbarem Aufeinanderfolgen in der neuen Periode, zumeist in dreifacher Fortführung. Schematisch dargestellt: /…x1 / x1…x2/x2…x3/x3…x4/.
2. Das zweite Merkmal stellt sich in der Kumulation sachlich verwandter Begriffe (‚enumeratio’) dar und kann als quantitative ‚amplificatio’ (Steigerung) deklariert werden, da die Häufung der Ausdrücke nicht unbedingt den Effekt der intensitätssteigernden Wirkung verfolgen. Die Begriffe sind meist zur argumentativ besseren Hinführung auf ein Thema, logisch gereiht. (vgl. HWRh. S. 1106-1109).
Die „moderne“ Klimax konstituiert sich hingegen über eine Reihe von Ausdrücken, die in steigender Anordnung gebraucht zu einer Intensivierung der inhaltlichen Aspekte, hinsichtlich der Gewichtung oder des Gefühlswertes, führen. Sie setzt sich 1. aus der, im zweiten Punkt der ‚klassischen’ Klimax erwähnten, Häufung bedeutungsverwandter Ausdrücke, hier jedoch auch oft synonym verwendeter Begriffe, und 2. der stufenweise Anordnung der Ausdrücke in gradueller Aufstufung zur Erreichung einer qualitativen ‚amplificatio’, zusammen (vgl. HWRh. Bd.4, 1107-1108, 1112-1114). Dies muss nicht in einem Satz geschehen, auch mehrere Satzaneinanderreihungen können zu dem gewünschten intensitätssteigernden Ergebnis führen.
Beispiel: ‚Zwanzig Schluchzer auf einmal. Tränenströme. Die Niagarafälle.’ (Isabelle Minière: Ein ganz normales Paar. Zürich 2007. S.140). Der Tränenausbruch der Frau in zunehmenden Eskalationsstufen wird hier aus der Perspektive des Mannes geschildert. Die Übertreibung im Ausdruck (Niagarafall) bringt die emotionale Distanz, die er gegenüber seiner Frau empfindet, bildlich zum Ausdruck.
Fällt eine (Wort-)Reihe inhaltlich erkennbar ab, so handelt es sich um eine Antiklimax. Die stufenweise Abschwächung der gebrauchten Ausdrücke im Satz, definieren diese.
Als Beispiel: ‚Vor der Wahl war er bereit, den Posten zu übernehmen. Die Wahl ist vorüber, er zögert. Er nimmt das Angebot nach Sondierungssgesprächen nicht an.’
Der rhetorische Begriff ‚Klimax’ taucht erstmals in der post-klassischen Zeit der griechischen Antike, also nach Aristoteles, auf (vgl. HWRh. Bd. 4, Sp.1106).
Der klassische Steigerungsmodus wird in der ‚Rhetorica ad Herennium’ als ‚gradatio’ bezeichnet. Es ist als ‚(…) das Stilmittel, bei welchem man nicht eher zum folgenden Wort übergeht, als man auf das vorausgehende zurückgegriffen hat’, charakterisiert. (vgl. Rhet. ad Her. 4. S.241-242) Die Klimax war und ist ein sehr beliebtes Stilmittel der Rhetorik. Der Einsatz der Klimax sollte vom Redner sorgfältig dosiert werden, da die Wirkung durch häufige Anwendung unterminiert wird.
Die Klimax in ihrer klassischen Ausprägung fällt sie in die Kategorie der Wortfiguren, die sich durch Hinzufügung (‚per adiectionem’) klassifizieren. Positioniert in diesem Spektrum ist sie als Wiederholungsfigur. Da sie aber auch eine Weiterführung von Gedankengängen beinhaltet, ist sie auch den Gedankenfiguren zuzurechnen. (vgl. HWRh. Bd. 4, 1106).
Beispiele für klassischen Klimax:
„Es war eine Verkettung unglücklicher Umstände: Ohne Meer keine Kolonien, ohne Kolonien keine starken Verbündeten, ohne starke Verbündeten keine Siege, ohne Siege keine Neutralität.“
In diesem Ausschnitt eines „Presse“-Zeitungunsartikels zur Fussball-EM wird der Patriotismus Österreichs auf humorvolle Weise in Pro- und Contra- Punkten beleuchtet (Beilage der Salzburger Nachrichten ??? vom 6.6.2008. Kabarettisten über die Fussball-EM). Dieser Satz stellt eine klassische Ausprägung der Klimax dar. Die semantischen Regeln, das letzte Wort einer Sinneinheit in der neuen Sinneinheit unmittelbar zu wiederholen, sind hier klar gegeben. Eine logische Hinführung zum Thema mittels argumentativen Stils, zeichnet die klassische Klimax ebenfalls aus.
Zwei Beispiele für modernen Klimax – als erstes Friedrich Schillers „Lied von der Glocke“:
„Gefährlich ist´s den Leu zu wecken,
Verderblich ist des Tigers Zahn,
Jedoch der schrecklichste aller Schrecken,
Das ist der Mensch in seinem Wahn.“
Schiller stellt hier schön eine ‚Steigleiter’ der Gedankengänge dar, die sich von mal zu mal in ihrer Bedeutung verstärken. Als Schrecklichstes und somit intensivstes Element stellt er „den Menschen in seinem Wahn hin’. Diese ‚qualitative amplificatio’ ergibt sich durch die inhaltlich logische Aneinanderreihung und Aufstufung der Gedankengänge.
Aus einem Presse-Artikel:
„Das ist der glücklichste, der schönste Tag in meinem ganzen Leben. Ich liebe ihn über alles!“ (Fiona Swarovski bei ihrer Hochzeit mit Karl Heinz Grasser, ehemaliger Finanzminister Österreichs)
In dieser Aussage ist eine Intensivierung des Gefühlswertes klar ersichtlich. Es handelt sich um eine ‚qualitative amplificatio’ durch Steigerung der Sinneinheiten, zum stärksten Satz: ‚Ich liebe ihn über alles!’.