(dt.Verstellung; griech. eironia; lat. ironia, dissimulatio)
Übereinstimmende Meinungen in der Fachliteratur bezeichnen die Ironie als Form der Rede, die das Gesagte der eigentlich vermittelten Aussage konträr gegenüberstellt. Das Gegenteil des Gemeinten wird gesagt. In der Interaktion wird dem Gesprächspartner oft durch übertriebene Gestik, Mimik oder Gebärden die intendierte Botschaft non-verbal vermittelt, sodass dieser die verschlüsselte Nachricht richtig dekodieren kann. Am ehesten kann man die Ironie als subtilen Spott umschreiben, die teilweise eine kritische Haltung zu einer Situation, einem Verhalten oder einem Thema ausdrückt. Die Ironie als rhetorische Figur in einer Gesprächssituation ist kontextabhängig. Eine gelungene ironische Bemerkung hängt auch oft von dem Gesprächspartner und von der Intimität der Partner ab. Beispiel:
„Abseits ist zu pfeifen, wenn die gegnerische Mannschaft sich in unseren Strafraum befindet.“
Eine rhetorische Figur, die der Ironie nahe steht, ist die ‚Litotes’. Diese Figur kennzeichnet sich durch die bewusste Untertreibung etwas Positivem und die Verneinung des Gegenteils zur Intensivierung des Gesagten (vgl. Lexikon der Sprachkunst, S. 273-274). Beispiele: ‚Meine Wenigkeit’; ‚Wir haben nicht wenig gelacht!’ Steigerungsformen der Ironie sind: Spott, Sarkasmus und Zynismus (vgl. Groeben. S. 358). Wichtige Unterarten der Ironie sind die ‚tragische Ironie’ (Behler. S. 213ff.) und die Selbstironie.
Die Anwendungsgebiete der Ironie umfassen ein breites Spektrum und lassen sich in drei Entwicklungslinien wiedergeben, die sich gegenseitig beeinflussten: die rhetorisch-stilistische, die literarische und die philosophische (vgl. HWRh. Bd.4, Sp. 599f). Der Fokus dieses Artikels richtet sich auf die rhetorisch-stilistische Entwicklungslinie.
Die klassische Ausprägung der Ironie reicht in die Antike zurück. Sokrates gilt als ihr Begründer und Meister, der auf die antiken Rhetoriker starken Einfluss ausübte. Man verwendet hierfür den Ausdruck der ‚Sokratischen Ironie’. In der griechischen Antike war die Anwendung der Ironie lange verpönt und als hinterhältiger Kommunikationsstil diskreditiert. Ihren Bedeutungswandel leitete Aristoteles ein. In der Abhandlung ‚Rhetorik’ versteht er die Ironie als ‚noble Form des Scherzens’ (Arist. 3, 1419b). Cicero versteht unter Ironie eine positive Weise der ‚Verstellung’ (‚dissimulatio’) (vgl. HWRh. Bd.4, Sp. 603f).
Die rhetorische Figur ‚Ironie’ ist nicht eindeutig zu klassifizieren. Wie schon Quintilian festhält, gehört die Ironie sowohl zu den Gedankenfiguren als auch zu den Tropen (vgl. Quint. IX,2,44f.).
Durch den Einfluss der antiken Rhetoriktheorie änderte sich das grundlegende Verständnis der Ironie bis ins 18.Jahrhundert in Europa nicht. Im Mittelalter beschäftigte man mit den formalen Strukturen, ohne aber die inhaltliche Definition zu ändern. Beispielsweise wurde versucht, die Ironie von der Lüge abzugrenzen, in dem man die intendierte Botschaft der Botschaft hervorhob und eine spezifische Gestik, um die Verwendung von Ironie anzuzeigen, ausarbeitete. An der Wende zum 19. Jahrhundert, wurde die Ironie von der Romantik als Form des Gestaltungsmittel für die Literatur entdeckt (Stichwort „romantische Ironie“). Damit eng verbunden ist die philosophische Beschäftigung mit der Ironie (vgl. Behler.70ff.). In der Moderne versteht man die Ironie aus rhetorischer Sicht noch immer als Stilmittel, durch welches man ‚das Gegenteil des Geäußerten’, ausdrücken kann. Einige Beispiele:
„Ironie wird immer ohne Probleme erkannt.“ Natürlich ist dieser Satz ironisch gemeint, da die rhetorische Figur nicht immer erkannt wird. Abhängig ist dies von dem Kontext, dem Gesprächspartner, der Gesprächssituation. Die Vermittlung von Ironie ist ein komplexer Vorgang . Als unterstützendes Element zur Verdeutlichung von Ironie wird häufig eine bestimmte Gestik und Mimik eingesetzt. (vgl. Groeben S. 62).
‚Die Titanic ist unsinkbar.’ (Figur des Jack im Film „Titanic“)
Dieser Satz ist ein Beispiel für die Unterkategorie ‚Tragische Ironie’. Der Protagonist ahnt nicht, dass er das Gegenteil des Geäußerten von sich gibt, seiner Zuversicht Ausdruck gibt, während der Außenstehende um diese Ereignisse und ihre Folgen schon weiß. Die Katastrophe ist unausweichlich, oft eingeleitet durch eine Verkettung unglücklicher Umstände.
Ein Vater kritisiert seine Tochter, weil sie sich ein drittes Sommerkleid gekauft hat: „Das hast du gut gemacht! Wir ham´s ja!“
Hier wird die Ironie durch ‚Tadel durch Lob’ (Groeben. S. 36) ausgedrückt. Der Vater lobt die Tochter für die Geldausgabe, obwohl er damit nicht zufrieden ist. Somit entsteht eine Diskrepanz zwischen dem verbal Geäußertem und dem eigentlichen Sinninhalt.
Ein Freund sagt: „Du bist mir ja ein schöner Freund“, als dieser ihm keinen Platz in der Vorlesung freigehalten hat.
An Hand dieses Exempels stellt sich die Ironie durch ‚Abwertung durch Aufwertung’ (Groeben. S. 25) dar. Der Freund sagt nicht, dass er enttäuscht von seinem Freund ist, dass dieser nicht an ihn gedacht hat, sondern verhüllt seine inhaltliche Botschaft im verbalen Gegenteil des Gesagten.
Nina Wolfensteiner
Literatur:
N. Groeben, Norbert: Produktion und Rezeption von Ironie. Paralinguistische Beschreibung und psycholinguistische Erklärungshypothesen. Tübingen 1984.
E. Behler: Ironie und literarische Moderne. Paderborn 1997.
E. Behler: Ironie, in: HWRh Bd. 4. Tübingen 1998. Sp. 599-624.