(dt. Verdoppelung; griech. epízeuxis;lat. epizeuxis, conduplicatio)
Die Geminatio ist als Wiederholung einer Sinneinheit (eines Wortes, einer Wortgruppe) innerhalb einer Periode in unmittelbarem Aufeinanderfolgen definierbar. Sie dient der Intensivierung und Hervorhebung. Als Schema dient hier: x (,) x.
Als Beispiel ein Schlachtruf von Fußballfans: „Olé, Olé, Olé!“ oder „Immer wieder, immer wieder, Österreich!“
Am häufigsten tritt die Geminatio am Beginn einer Sinneinheit auf, aber auch in der Mitte oder am Ende ist ihr Erscheinen möglich.
Terminologisch ist die Geminatio von der Anadiplose und der Epanalepse abzugrenzen. Alle drei rhetorischen Figuren sind Unterarten der Repetitio (Verdopplung) (vgl. Fréderic. S. 43ff). Eine Anadiplose ist zu identifizieren, wenn die
Wiederholung des letzten Wortes oder der letzten Wortgruppe einer Sinneinheit in unmittelbarer Aneinanderreihung zu Beginn einer neuen Sinneinheit erfolgt. Das Schema hierfür: (…x / x…). Als Beispiel: ‚Lies die Artikel. Die Artikel sind gut.’
Die Epanalepse unterscheidet sich von der Geminatio, dass die Wiederholung eines Wortes oder einer Wortgruppe mit Abstand innerhalb einer Periode erfolgt. Das Schema: …x……x…, wie zum Beispiel: „Immer wieder blicke ich auf die Uhr, immer wieder, aber die Zeit scheint nicht zu vergehen.“ (vgl. HWRh. Bd.3, Sp. 697). Die Geminatio fällt somit in die Kategorie der Wiederholungsfiguren, die durch Hinzufügung („per adiectionem“) gekennzeichnet sind (vgl. Kolmer/Rob-Santer. S.55).
Den rhetorisch-begrifflichen Ursprung der Geminatio kann man in der Antike finden. Der Auctor ad Herennium verwendet den Begriff der ‚Conduplicatio’ (Rhet. ad Her. IV,28,38). Der Terminus ‚Epizeuxis’ wird vom griechischen Rhetoriker Herodianus eingeführt (vgl. HWRh. Bd.3, 698). Cicero ist der erste, der von der Geminatio spricht. Als Wirkung der Figur führt er die Vermittlung von einerseits Nachdruck (‚vis’), andererseits von Anmut (‚lepos’) an (vgl. Cic. De or. III, 206). Quintilian definiert die Geminatio als ‚Figur, die nicht nur auf dem Sprachgebrauch beruht, sondern den Sinn selbst bald Reiz (‚gratia’), bald zudem auch noch Kraft (‚vis’) verleiht.’ (Quint. IX,3,28). Die Verdopplung der Verben erfolgt ‚um der Steigerung willen’ (‚amplificando gratia’) oder ‚um der Klage willen’. Das erste Verb erhält immer die Mitteilung, das Wiederholte dient der Bekräftigung. Weiters erwähnt er, dass die Geminatio mit Ironie (vgl. -> Ironie) ins Bagatellisieren verkehrt werden kann (vgl. Quint. ebd.).
Einen Versuch die Wirkung der Geminatio zu beschreiben, unternehmen Kolmer/ Rob-Santer: Der Geminatio eigen sei ein ‚emphatisch-affektiver Charakter, (Sie) wirkt eindringlich, dramatisierend, auch schnell pathetisch’ (Kolmer/ Rob-Santer. S. 65).
Generell ist zu konstatieren, dass der rhetorische Terminus ‚Geminatio’ wirkungsgeschichtlich unbedeutend war. Die Ausdrücke der ‚Conduplicatio’ und der ‚Epizeuxis’ wurden in rhetorischen Arbeiten bevorzugt verwendet. Erst durch die Verwendung des Begriffs im einflussreichen ‚Handbuch der literarischen Rhetorik’ 1960 von Lausberg fand die Bezeichnung ‚Geminatio’ Eingang in die Rhetoriklehrbücher.
Beispiele für diese Figur lassen sich zahlreiche finden – hier drei Beispiele aus der Schlagerwelt, der modernen Popkultur und der Werbung :
‚Der Theodor’ als Dopplung hebt die Person in ihrer Wichtigkeit heraus. Weiters kann man eine Epanalepse identifizieren. Wenn ‚Der Theodor’, im Teil des Songausschnittes weiter hinten wiederholt wird.
In dieser Lied-Strophe kann man die Geminatio gleich dreimal finden. ‚Going nowhere’, ‚no expression’ und ‚no tomorrow’ werden jeweils unmittelbar aufeinanderfolgend wiederholt, und dient damit der Intensivierung verschiedener Gefühlsmomente.
‚Was wollt ihr dann?’ – ‚Ma-o-am, Ma-o-am, Ma-o-am!’ (Werbung für Süßigkeiten)
Marketingstrategisch wird hier durch das wiederholte Rufen des Markennamens „Maoam“ dieser hervorgehoben und entfaltet eine eindringliche Wirkung auf den Adressaten, den Konsument.
Nina Wolfensteiner
Literatur:
Fréderic, Madeleine (1985): La répétition. Étude linguistique et rhétorique.
Max Niemeyer Verlag, Tübingen.
D. Till: Geminatio, in: HWRh Bd. 3. Tübingen 1996. Sp. 697-701.