Tagungsbericht Sektion 3 – Rhetorik in der Ausbildung
Tagung vom 16. – 17. 4. 2004
Veranstalter: Paris-Lodron-Universität Salzburg
"Rhetorik in der Ausbildung"
Die Vorträge der dritten Sektion der ersten Salzburger Rhetorikgespräche, die von Dr. Roland Wöller (MDL, CDU, Dresden) eingeleitet und moderiert wurden, hatten das Thema "Rhetorik in der Ausbildung" zum Inhalt.
Dr. Ansgar Kemmann eröffnete die Vortragsreihe mit seinem Referat, das sich mit der Fragestellung "Debattieren in Schule und Hochschule" auseinander setzte. Nach einer kurzen Hinführung zum Thema, in der er den aus dem Französischen stammenden Begriff "Debatte" als einen "Streit nach Regeln" definierte, stellte er die verschiedenen Formen der Debatte vor. Dabei differenzierte er zwischen dem substanziellen, dem simulativen und dem sportlichen Wortgefecht. Während es sich bei ersterem um eine regelgeleitete Kontroverse zur Herbeiführung einer Entscheidung handelt, wie es beispielsweise in einer Lehrerkonferenz oder in einem Studentenparlament stattfindet, versteht man unter dem simulativen Debattieren Wortgefechte zur konkreten Rekonstruktion von Vorgängen, die in Planspielen ihren Ausdruck finden. Diese werden bereits in Amerika ("model congress") und in Deutschland ("model united nations") praktiziert. Das Hauptaugenmerk des Vortragenden lag auf der sportlichen Debatte, durch welche die Fähigkeiten und Stärken des Einzelnen bewusst eingeübt, trainiert, ausgebildet und gefördert werden. Ziel dabei ist der konkrete Einsatz im Unterricht und in Wettbewerbssituationen. Während die Form der sportlichen Debatte in den Debattierclubs der großen britischen Universitäten Cambridge und Oxford schon seit über zweihundert Jahren praktiziert wird, hat sie in Deutschland erst mit der Gründung des Debattierclubs an der Universität Tübingen durch den Vortragenden selbst (1991) Einzug gehalten. Seit 2001 gibt es einen Dachverband, in dem rund dreißig Clubs integriert sind. Das sportliche Debattieren hat sowohl an den deutschen Schulen als auch an den Hochschulen Verbreitung gefunden. An ersteren werden zwei Formen angeboten, einerseits die Debatte in englischer Sprache, die seit 1987 von Stuttgart ausgehend an einigen Gymnasien als Wahlfach belegt werden kann, und andererseits die Debatte in deutscher Sprache, welche 1998 von dem Vorsitzenden des Verbandes deutscher Redenschreiber, Thilo von Trotha, in Weimar eingeführt wurde. An den Universitäten wird die Form der parlamentarischen Debatte eingeübt. Um die Debattierfähigkeiten der Schüler konkret zu fördern, wurde von der Hertie-Stiftung der Bundeswettbewerb "Jugend debattiert" initiiert, der unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten an 312 Schulen in allen deutschen Bundesländern angeboten wird. Im Anschluss daran beschäftigte sich der Vortragende kurz mit den antiken Vorläufern, wobei er Parallelen zur Moderne zog. Genauso wie bei der antiken declamatio , in der das Prinzip von Rede und Gegenrede verwirklicht wurde, wird auch beim heutigen Debattieren das Halten von ganzen Reden eingeübt. Der Redner wird in eine dialogische Situation versetzt, er lernt unter Alltagsbedingungen zu argumentieren. Dabei werden seine interaktiven Fähigkeiten gezielt geschult, wozu skalierbare, modularisierbare und ironisierbare Übungsformen beitragen. Darüber hinaus lässt sowohl das antike als auch das moderne Debattieren den unmittelbaren Vergleich von Redner und Gegenredner zu, der meist vom Publikum gezogen wurde und wird. Das Debattieren trug und trägt zur Sozialisation des Redners bei, da es ihm hilft, Routine und Selbstsicherheit zu gewinnen und sich selbst zu behaupten. Das Schlussstatement des Referenten war, dass Rhetorik dazu verhelfen sollte, sich in der Gesellschaft anders zu verständigen.
Das zweite Referat, das von Werner Müller, Lehrer am Gymnasium Germering München, gehalten wurde, war mit dem Thema "Schule braucht Rhetorik" überschrieben. Der Vortragende stellte die Wichtigkeit einer gezielten und kompetenten Rhetorikausbildung für die Lehrerschaft heraus, da Schule ohne Kommunikation nicht funktionieren könne. Wenn aber schon die Lehrer aufgrund mangelnder Ausbildung keine Vorbilder im Bereich des reflektierten Kommunizierens mehr sein können, wie soll man es dann von ihren Schülern erwarten?
Der dritte Vortrag wurde von Michael Schallaböck, Trainer am Europäischen Aus- und Fortbildungsinstitut für Kommunikation (EAK), gehalten. Er setzte sich mit dem Thema "Rhetorik in der Ausbildung" auseinander, wobei er konkrete Beispiele aus Salzburg heranzog. Trotz der Tatsache, dass an einigen Schulen Kommunikations- und Präsentationstraining Pflichtgegenstand ist, sah er dessen ungeachtet einen Entwicklungsbedarf. Da das Fach "Kommunikation" seiner Ansicht nach oft nicht in fachmännischen Händen liegt, postulierte er eine bessere Ausbildung für Lehrer und Dozenten. Erste positive Ansätze stellen für ihn das im Jahr 1990 ins Leben gerufene Curriculum am pädagogischen Institut in Salzburg, in dessen Rahmen Lehrer im Bereich der "selbsterfahrenen Kommunikation" ausgebildet werden, und das Kursangebot für Direktoren dar. In letzterem werden deren soziale und kommunikativen Kompetenzen gezielt gefördert und geschult. Universitär lenkte er sein Augenmerk auf das Angebot der Rhetorik an der Universität Salzburg. Am Ende seiner Ausrührungen stellte er das Europäische Aus- und Fortbildungsinstitut für Kommunikation vor, bei dem sich die angestellten Trainer dazu verpflichten, ein- bis zweimal im Jahr Kurse zum Sozialtarif anzubieten. Grundlage der Fortbildungseinheiten ist die Stärkung der Persönlichkeit, ihr Hauptanliegen die Förderung der gleichberechtigten Kommunikation. Fazit seines Vertrages war es, dass im Bereich der Rhetorik viel geschieht, dass aber auch noch viel geschehen muss.
Mag. Elisabeth Schabus-Kant skizzierte in ihrem Referat den Entwicklungsstand des Faches Rhetorik am Beispiel der Hochschulen und Schulen Wiens. An der Universität Wien wird eine verpflichtende Lehrveranstaltung mit dem Titel "Rhetorik" angeboten; darüber hinaus gibt es im Bereich der Fachdidaktik eine Vorlesung zum Thema "Sprechen und Hören in einem integrativen Deutschunterricht", die wissenschaftliche und theoretische Hintergrundinformationen liefert, aber auch praktische Anwendungsmöglichkeiten aufzeigt. An den AHS wird immer größerer Wert darauf gelegt, die Schüler zu befähigen, schriftliche und mündliche Texte, die den Standards entsprechen, zu produzieren, wobei auch mediale Hilfsmittel zum Einsatz kommen. An den BHS gibt es einen Akademielehrgang für Deutsch- und Sprachlehrer, der die Teilnehmer befähigt, Rhetorik und Kommunikation zu unterrichten. Darüber hinaus könnten sich durch die autonome Lehrplangestaltung Möglichkeiten ergeben, neue Schulstunden zum Themenkreis "Rhetorik und Präsentation" zu kreieren. Im Anschluss daran ging die Vortragende auf die Innovationen ein, – einerseits auf das Angebot von Workshops an den Wiener Schulen, die von unabhängigen Trainern gehalten werden, und andererseits auf eine Form des Redetrainings, bei der keine direkte Wettbewerbssituation geschaffen wird. Die Präsentation, auf die man durch eine begleitende Lehrveranstaltung vorbereitet wird, findet dabei einzeln oder in kleinen Teams statt. Ziel ist es, die Redeangst des Einzelnen zu minimieren und den Einsatz von Visualisierungsmöglichkeiten einzuüben. Schlusspunkt bildet ein freiwilliger Wettbewerb, ohne direkte Bewertung und ohne Sieger, bei dem eine Jury, die sich aus Lehrern, Persönlichkeiten der Wirtschaft und der Medienlandschaft zusammensetzt, ihr Feedback abgibt.
Dr. Dietmar Till (Universität Tübingen) stellte im Rahmen seines Vertrages das virtuelle Modellprojekt "Schreibkompetenz – Rhetorik des Schreibens" vor, das von der Uni Tübingen, der Uni Regensburg und der virtuellen Hochschule Bayerns initiiert und gestartet wurde. Es zielt darauf ab, Studenten die Erwerbung von Schreibkompetenz, einer der wichtigsten und zentralsten Schlüsselqualifikationen für den späteren Berufsweg, zu ermöglichen. Konkrete Vorteile dieses Projektes sind, dass die Studenten nicht auf das Lehrveranstaltungsangebot ihrer Heimatuniversität zurückgreifen müssen und dass den Studierenden zu jeder Zeit alles zugänglich ist, womit es zu keinen Kollisionen mit anderen Lehrveranstaltungen kommen kann. Die Organisation des virtuellen Projektes setzt sich aus einer Studierendenverwaltung, welche die Einschreibung überwacht und die Lehrveranstaltungsverzeichnisse erstellt, und aus einem Gremium von Fachräten zusammen, das dafür zuständig ist, die Lehrveranstaltungen zu begutachten, – beides Faktoren, die ein gutes Projektmanagement und eine positive Öffentlichkeitsarbeit ermöglichen. Das Konzept des Kurses basiert darauf, das Erbe der antiken Rhetorik mit dem empirischen Wissen über die erfolgreiche Kommunikation zu verbinden. Moderne Theorieansätze, wie beispielsweise Kreativtechniken wie Mindmapping, werden genauso integriert wie moderne Medien und Techniken des kooperativen Schreibens. Ein weiterer Vorteil, den das virtuelle Projekt mit sich bringt, liegt darin, dass das Lerntempo von jedem selbst bestimmt werden kann, wobei allerdings bestimmte Wochenpensen zu erreichen sind; so müssen in einer Woche die Videos und Folien durchgearbeitet, eine konkrete Übung produziert und an den Tutor geschickt und die Texte der anderen Teilnehmer gelesen und bewertet werden. Die Tatsache, dass mit dem Kurs positive Erfahrungen gemacht wurden, was man an der hohen Akzeptanz, die er genießt, sehen kann, wiegt die Nachteile auf, die aufgrund von technischen Problemen und aufgrund des hohen Betreuungsaufwandes, der hohen Abbrecherquoten und der Schwierigkeit der Anrechenbarkeit der Scheine an den anderen Universitäten entstehen.
Genauere Informationen unter: www.uni-regensburg.de/Uni/Virtuell/
Demo.
Im Vortrag von MMag. Dr. Günther Kreuzbauer ging es um "Public Speaking Training", wobei er gleich zu Beginn seines Referates auf die Schwere, eine Rede zu halten, und auf die Schwere, Rhetorik zu vermitteln, hinwies. "Sapere aude", "Wage, kritisch zu denken", war sein Leitspruch. Rhetoriktraining ist notwendig, da Rhetorik eine wichtige Schlüsselkompetenz darstellt, die allerdings erlernt werden muss, da sie uns nicht von selbst zufällt. Eine Rede besteht aus einer verbalen, also einer inhaltlichen Ebene, aus einer paraverbalen Ebene, wobei die Stimme im Vordergrund steht, und aus einer nonverbalen Ebene, bei der die Körpersprache in den Mittelpunkt rückt. Um diese Bereiche konkret trainieren zu können, wurde ein Kurs erarbeitet, der auf einem vierstufigen Modell basiert. Bei der ersten Stufe kommt es darauf an, die verbalen Fähigkeiten eines jeden Einzelnen zu trainieren, wobei das wichtigste Ziel in der Verständlichkeit liegt, die sowohl in der Mikro- als auch in der Makroebene der Rede erreicht werden muss. Damit sind zum Beispiel die Übergänge gemeint und die richtige Dosierung der Informationen. Diese erste Stufe wird mit Hilfe von Einzelübungen und konkretem Redetraining eingeübt. Die zweite Stufe bezieht sich auf die paraverbal-nonverbalen Fähigkeiten eines Redners, die mit Hilfe von Videotrainings geschult werden können. In der dritten Stufe sollen die Studenten lernen, aus sich heraus zu gehen, was in Kleingruppen praktiziert wird. Die vierte und letzte Stufe bezieht sich auf die Natürlichkeit, wobei das Augenmerk auf den individuellen Stärken des Einzelnen liegt, die dann beispielsweise im Debattierclub gezielt trainiert und weiter ausgebaut werden können.
Zum Abschluss der ersten Salzburger Rhetorikgespräche stellte Prof. Dr. Lothar Kolmer die "Salzburger Rhetorik" kurz vor. Seit dem l. März dieses Jahres ist die ehemalige "AG Rhetorik", welche aufgrund mangelnder Sprach- und Lesekompetenz der Studierenden ins Leben gerufen wurde, eine feste Einrichtung an der Universität geworden. Sie bildet ein Netzwerk vieler Lehrender aus den verschiedenen Fachbereichen. Strategische Ziele sind im Bereich der Forschung die wissenschaftliche Erschließung der Rhetorik, die konkrete Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse in Unterricht und Lehre und die Vernetzung aller Rhetoriker und Rhetorikerinnen. Innerhalb der Forschung sind drei Projekte geplant, die sich mit "Argumentation", "Persuasion" und "Körpersprache" auseinander setzen werden. Die Salzburger Rhetorik zeichnet sich durch folgende Aktivitäten aus: Neben dem aktuellen Lehrveranstaltungsangebot, fanden dieses Jahr zum ersten Mal die Salzburger Rhetorikgespräche statt, haben die Studenten die Gelegenheit, im Debattierclub ihr Können unter Beweis zu stellen und gibt es eine eigene Kabarett-Gruppe. Im Bereich der Publikationen verfügt die Salzburger Rhetorik über eine eigene Buchreihe, die Online-Zeitschrift "RhetOn" und verschiedene Publikationen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Ziele für die Zukunft sind erstens die weitere Vernetzung, – einerseits inneruniversitär, also fachbereichsmäßig, andererseits aber auch außeruniversitär, auf die Schulen und Fachhochschulen bezogen, und zweitens der Ausbau der Lehre, der in neuen Lehrbüchern, in einem geplanten Hochschullehrgang und in Summer- und Winterschools seinen Ausdruck finden soll.
Nach der Schlussdiskussion verabschiedete man sich bis zu einem Wiedersehen bei den zweiten Salzburger Rhetorikgesprächen, die im kommenden Jahr vom 1. bis zum 2. April stattfinden werden.
mr