2004 Satuer 1. Salzburger Rhetorikgespraeche-07

Tagungsbericht Sektion 2 – Rhetorik in der Wirtschaft

Tagung vom 16. – 17. 4. 2004

Veranstalter: Paris-Lodron-Universität Salzburg

 

Rhetorik in der Wirtschaft

Im Rahmen der Salzburger Rhetorikgespräche 2004 widmete sich "Sektion 2" am Nachmittag des 16. April dem Thema "Rhetorik in der Wirtschaft". Unter der Leitung von Dr. Thilo von Trotha wurden fünf Vorträge geboten, die denjenigen des Vormittagsprogramms um nichts nachstanden.

Die Doppelconference

Dr. Wolfgang Immerschitt und Dr. Kurt Oberholzer – beide erfahrene Redenschreiber – machten sich in ihrer "Doppelconference" auf die "Suche nach den guten Rednern in Wirtschaft und Medien". Sie betonten, dass die Kunst des Gesprächs einen (Groß-)Teil des Erfolges ausmache. Ob Politik oder Wirtschaft, alles sei Rhetorik, und zwar eben gute oder schlechte. Besonders in der Wirtschaft sei man gezwungen, in der Öffentlichkeit auftreten zu können. Vor allem der Auftritt in den Medien sei heute entscheidend. Überhaupt werde in der Ausbildung viel zu wenig Wert auf den Auftritt gelegt. Denn zur Grundausstattung des/der in der Wirtschaft Erfolgreichen gehöre neben den unternehmerischen Qualifikationen vor allem eben die Kommunikationsfähigkeit.

Die beiden Vortragenden konnten vor allem klar vermitteln: Auf die kommunikativen Fähigkeiten wird noch immer viel zu wenig Wert gelegt. Sowohl bei der Rekrutierung des Top-Managements als auch im Ausbildungssystem werde der Rhetorik viel zu wenig Bedeutung zugemessen. Die Forderung der beiden Redner: Rhetorik muss in der Ausbildung und im mittleren Management verstärkt gelehrt werden, denn unser jetziges Ausbildungs- und Rekrutierungssystem ist falsch.

Dr. Oberholzer beschrieb in einem Kurzportrait den Prototypen des "guten Redners". Dessen Rede sollte vor allem gewährleisten: aufnehmbare Inhalte, die auch etwas Neues bringen, Prägnanz, Glaubwürdigkeit, Authentizität sowie maximal drei Themenblöcke, die durch eine klare Gliederung verarbeitbar werden. Diese Anforderungen entsprächen weitgehend den journalistischen Grundregeln. Oberholzer stellte auch die Behauptung in den Raum, gute Rhetorik sei möglicherweise ebenso wenig erlernbar wie der Journalismus – von einigen Grundregeln abgesehen. Wie dem auch sei, betonte Dr. Immerschitt abschließend, die Botschaft des Vortrages sei klar: Fachwissen alleine ist zu wenig. Eine Ergänzung des "Fach-IQs" durch einen "Rhetorik-IQ" ist schlichtweg unabdingbar.

Chefetagen-Rhetorik

Der Darmstädter Redenschreiber Dariush Barsfeld gab im Rahmen seines Vortrags mit dem Titel "Rhetorik in der Chefetage: Chancen und Realität strategischer Kommunikation in der Wirtschaft" [bitte LINK zu Beitrag setzen] einen sehr praxisnahen Einblick in die aktuelle Situation der Rhetorik in den obersten Rängen von Unternehmen. Dabei beschrieb Barsfeld einerseits detailliert den Ist-Zustand des deutschen Managements aus rhetorischer Sicht. Andererseits zeichnete er aber auch das Idealbild des Redenschreibers im Unternehmen. Barsfeld betonte, dass besonders in Zeiten der wirtschaftlichen Krise das gesprochene Wort einen hohen Stellenwert einnehme. Pressekonferenzen, Jahreshauptversammlungen und auch Ansprachen, die via Intranet innerhalb des Unternehmens ausgestrahlt würden, gehörten heutzutage zum Alltag von Top-Managern. Bei alledem entscheide letztendlich die Überzeugungskunst. Rhetorik sei einfach das Mittel der Führung und Meinungsmache schlechthin.

Barsfeld bemängelte vor allem, dass ein Großteil der Reden leider immer noch von dafür nicht qualifiziertem Personal verfasst werde. So komme es nicht selten vor, dass beispielsweise Sekretärinnen zum Schreiben von Reden verhalten würden. Dies sei der Grund, warum es noch immer viel zu viele schlechte Reden gebe. Oft fehlten den Autoren solcher Reden sogar "basics" wie das Verfassen logisch einwandfreier Texte.

Im weiteren Verlauf seines Vortrages betonte Barsfeld die Wichtigkeit und Notwendigkeit eines Redenschreibers in größeren Unternehmungen. Dabei sollte der Redenschreiber gewisse Kernkompetenzen besitzen, etwa die Fähigkeit, Reden an die jeweilige Situation anzupassen. Auch Imageberatung sei eine seiner Aufgaben. Entscheidend jedoch sei, so Barsfeld, dass der Redenschreiber möglichst "nahe am Chef sei". Das Verhältnis zwischen Redner und Redenschreiber sollte daher so eng wie möglich sein. Insbesondere sollte es zwischen den beiden Personen keine Hierarchien geben. Denn diese erzeugten letztendlich nur einen "Stille-Post-Effekt", der das Verfassen zielführender Reden verhindere.

Barsfelds Resümee: Rhetorik wird kaum in ihrer Wichtigkeit erkannt. Für viele Betriebswirte sei sie leider "nichts als teures Blabla". Das sei aber ein entscheidender Fehler. "Denn Rhetorik spart auch Geld!", so Barsfeld. Zum Beispiel seien gut verfasste Entschuldigungsschreiben an unzufriedene Kunden auch aus ökonomischer Sicht relevant. Denn dann seien meist weniger Kulanzzahlungen notwendig.

In der anschließenden Diskussion wurden unter anderem auch Zweifel daran laut, wie ein Manager denn eine Rede gut vermitteln solle, die er nicht selbst geschrieben habe. Dariush Barsfeld meinte dazu, es sei ein Irrglaube, die Reden entstünden ausschließlich im stillen Kämmerlein des Redenschreibers. Der Redner sei an der Entwicklung der von ihm zu haltenden Rede aktiv beteiligt, oft gebe es sogar bis zu fünfzehn vorläufige Fassungen. Dies bestätigte auch Dr. Thilo von Trotha, der betonte, dass nur wenige von uns ihre Kleider selbst genäht oder einen Blumenstrauß selbst gepflückt hätten. Prof. Lothar Kolmer forderte auch für die Universitäten eine Art "beratenden Hofnarren". Denn viele Professoren seien leider nicht die besten Didakten und viele ihrer Aufsätze schlichtweg unlesbar.

Der Rhetoriktrainer

Der Salzburger Michael Schallaböck schilderte in seinem Vortrag (Titel: "Rhetoriktraining in der Wirtschaft. Ein Erfahrungsbericht.") einige seiner Erfahrungen aus der Praxis seiner Trainertätigkeit. Auch Schallaböck betonte den wirtschaftlichen Nutzen verbesserter Rhetorik. Es gäbe leider aber bei vielen Führungskräften kein Bewusstsein, wie wichtig es sei, Geld in Rhetorik zu investieren. Auch für Schallaböck ist dies aber schon allein aus ökonomischen Gründen notwendig. Denn wenn man seinen Mitarbeitern die Möglichkeit biete, seine Fähigkeiten im Rahmen von Rhetoriktrainings zu verbessern, erhöhe dies auch deren Motivation. Dies führe letztendlich zu einer Steigerung des Umsatzes. Laut Schallaböck liegt das Problem meist bei der falschen Verpackung der Rede. Denn der Inhalt ist oft gut, kann aber nicht erfolgreich vermittelt werden.

Schallaböck brachte das Beispiel einer erfolgreichen Salzburger Firma, deren Mitarbeiter er trainiert. Im Rahmen seiner Trainings würden Auftritt und Rhetorik der Mitarbeiter gezielt supervidiert. Dies geschehe auch mit Hilfe von Videoaufnahmen. Er sei überzeugt, so Schallaböck, das jede/r seine Rhetorik verbessern und eine Stufe höher kommen könne. Dies stärke Persönlichkeit und Selbstbewusstsein und nutze sowohl der Firma als auch der gesamten Wirtschaft.

Letztendlich gab Schallaböck noch ein leicht ironisch gemeintes Beispiel einer gut aufgebauten Rede. Diese solle jeweils ein Drittel Neues bringen, weiters ein Drittel dem Zuhörer Bekanntes liefern (um ihn nicht zu überfordern) und zu guter Letzt ein Drittel Unverständliches enthalten – dies übrigens, um dem Publikum zu imponieren…

Die internen Kommunikatoren

Daran anschließend kamen als Unternehmensvertreter Dr. Anne Margret Rusam und Dr. Rudolf Ebneth zu Wort, die beide im Kommunikationsbereich bei BMW in Regensburg tätig sind. Sie konzentrierten sich im Rahmen ihres gemeinsamen Vortrages auf die interne Kommunikation bei Veränderungsprozessen in Unternehmen. Während Dr. Ebneth einen Überblick über die Anforderungen brachte, die heutzutage an die interne Kommunikation gestellt werden, verdeutlichte Dr. Rusam dies anhand konkreter Fallbeispiele aus der Praxis.

Dr. Ebneth betonte im Rahmen seines Vortrags die deutlich gestiegene Bedeutung der internen Kommunikation in der Wirtschaft. Dies habe sich auch bei BMW eindeutig bemerkbar gemacht. Dabei erfülle die interne Kommunikation sowohl Ordnungs- und Gestaltungs- als auch Servicefunktionen. Entscheidend sei vor allem die Abstimmung der Kommunikationsinhalte. Das bedeute, dass zur richtigen Zeit am richtigen Ort die richtige Information vermittelt werden müsse. Aufgabe der Stabsstelle Kommunikation bei BMW Regensburg sei u. a. auch die Durchführung einer Evaluierung, im Rahmen derer die Zufriedenheit der Mitarbeiter mit dem Unternehmen festgestellt werde. Diese Untersuchungen seien dem Unternehmen sehr dienlich, da dadurch verbesserungswürdige Firmenbereiche gezielt lokalisiert werden könnten. Allein deshalb müsse, so Ebneths Forderung, die Kommunikationsabteilung in der Hierarchie entsprechend hoch angesiedelt und mit Profis besetzt sein.

Dr. Rusam sprach daraufhin konkret über Veränderungsprozesse, die in letzter Zeit bei BMW stattgefunden haben. Sie betonte, dass Veränderungen in Unternehmen vor allem immer mit Unsicherheiten verbunden seien. Aufgabe der "internen Kommunikatoren" sei es, diese Veränderungsprojekte den Mitarbeitern möglichst plausibel zu machen. Dabei verlor Rusam kein gutes Wort über externe Berater, die einerseits "Konzeptriesen", andererseits aber leider auch "Umsetzungszwerge" seien. Eigenes Kommunikationspersonal sei schon alleine deshalb sinnvoller, da es die Interna des Unternehmens deutlich besser kenne. Dies habe sich beispielsweise bei einer Logistik-Umstellung bezahlt gemacht. Da ein Auto aus über 20.000 Komponenten zusammengesetzt werde, seien Veränderungen in logistischen Prozessen eine besondere Hürde. Und dabei sei es eben unbedingt notwendig, die einzelnen Zielgruppen genau zu kennen. Ziel sei vor allem, die Unsicherheit bei den Mitarbeitern durch gezielte Vermittlung von Informationen zu verringern. Rusam verglich die interne Kommunikation mit einem Fluss und brachte in diesem Zusammenhang auch das alte griechische Wort "panta rhei" – "alles fließt". Der einzig mögliche Beitrag der internen Kommunikation sei dabei, Schleusen zu bauen und damit ein Über-die-Ufer-Treten des Kommunikationsflusses zu vermeiden.

Prof. Knoche und "SWR"

Zum Abschluss des Nachmittags stellte der Salzburger Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Manfred Knoche seine Theorie der sogenannten "Strategischen Wirtschaftsrhetorik" ("SWR") vor. Dies geschah übrigens mit wohlgemerkt genau jener Power-Point-Illustration, die zuvor noch von Immerschitt & Oberholzer kritisiert worden war, aufgrund der Komplexität des Themas hier aber gute Dienste tat. Dabei betonte Prof. Knoche, dass der Begriff "Wirschaftsrhetorik" umfassend zu verstehen sei. Er beziehe sich daher nicht nur auf wirtschaftliche Fachfragen, sondern auch auf das soziale Leben der Menschen. Wir alle seien heutzutage an der Wirtschaftsrhetorik beteiligt, jede/r von uns sei – wenn auch unbewusst – ein aktiver Helfer. Denn durch den Kauf von Produkten finanziere man gleichzeitig auch die eigene Manipulation, die über die Werbung vonstatten gehe.

Die strukturellen Voraussetzungen für die SWR seien heute, so Knoches Behauptung, optimal. Die beschriebene Wirtschaftsrhetorik sei sowohl für die Gewinnmaximierung als auch für die Systemstabilität von entscheidender Bedeutung. Sie ziele auf eine Förderung des Konsums und damit auf wirtschaftskonformes Denken ab. Die SWR habe dabei sowohl ein Droh- als auch ein Anreizpotenzial. So drohe man mit "offshoring" und sei aufgrund des vorhandenen Kapitals gleichzeitig in der Lage, genug Helfer der Wirtschaftsrhetorik zu engagieren. Dies sei der Grund, warum die ganze Gesellschaft entsprechend der SWR handle, auch wenn die Inhalte immer kühner würden. So gebe es jetzt beispielsweise längerer Arbeitszeiten ohne entsprechende Vergütung bzw. Studiengebühren. Knoche: "Die SWR ruht nie."

Die heutige Wirtschaftsrhetorik, so Knoche, habe ihre Basis in der Theorie des Neoliberalismus. Kritiker des Systems würden als Ideologen bezeichnet und Begriffe wie "(neo)liberal" oder "Konsum" als ideologiefrei verkauft. Dabei sei der Neoliberalismus aber selbst eine Ideologie. Es gebe schlichtweg keine Logik in der SWR. Inhaltlich werde vor allem die Einstellung "Wirtschaft gut, Staat schlecht" transportiert. Er wisse, dass er provoziere, so Knoche, aber leider sei die Wirtschaftsrhetorik einfach "wahnsinnig primitiv".

Prof. Knoches Vortrag entfachte im Anschluss eine interessante Diskussion, im Rahmen derer die gegensätzlichen Positionen teils recht heftig aufeinander prallten. Während sich Dr. Ebneth als Wirtschaftsvertreter beispielsweise eher kritisch zu Prof. Knoches Ausführungen äußerte und sie als "doch relativ theoretisch" bezeichnete, erkannte Prof. Knoche auch in diesen Äußerungen die zuvor analysierte Wirtschaftsrhetorik. Dr. von Trotha ergänzte dazu, dass sich der reine Sozialismus als Gegenmodell zum Neoliberalismus leider als historischer Fehlschlag erwiesen habe. Dass die kurze Diskussion der Komplexität dieses Themas nicht gerecht werden konnte, war allen Teilnehmenden klar. Dafür sei aber das Nachmittagsprogramm, so Dr. von Trotha, sehr ausgewogen gewesen. Denn sowohl die Mikroebene (vor allem Schallaböck und Ebneth & Rusam) als auch die Makroebene (Knoche) seien an diesem "hochinteressanten Nachmittag" abgedeckt gewesen.

gw